20. Mai – La fête de l’Unité Nationale …aber wo bleibt die Einheit?

21Mai2018

Tag der Vereinigung oder Tag der Einheit. Zu diesem Anlass wird in jeder Stadt ein großer Umzug veranstaltet, alle Autoritäten sind vor Ort, es wird gefeiert und bis spät in die Nacht getrunken und getanzt. Zum Anlass der Einheit. Seit 46 Jahren wird dieses Fest der Einheit abgehalten und doch stellt man sich die Frage, welche Vereinigung gemeint ist. Seit einigen Jahren treten zunehmend vermehrt Spannungen zwischen französisch- und englischsprachigem Teil auf, die zu mehr oder weniger starken Konsequenzen führen. Die Leute nennen dieses Problem inzwischen „anglophone crisis“. Es bleibt also die Frage: welche Einheit?

1972 wurde ein Referendum abgehalten. Es ging dabei darum, den französisch- und britisch regierten Teil Kameruns zu vereinen. Vereinfacht kann man das an der Flagge erklären. Zu Anfang waren zwei Sterne zu sehen, einer für den französisch regierten Teil, einer für den britisch regierten Teil; diese wurden dann in einem Stern in der Mitte der Flagge vereint.

Ein kamerunischer Sänger, Mr Leo, hat zur "anglophone crisis" ein Lied geschrieben: „Pray“. https://youtu.be/tbZwuNNnVvE Es gibt darin einen Satz, der das Ganze auf Menschlichkeit rausbringt: „We are one big family, your brother cannot be the enemy. […] We just need to love one another no need to mash up the people.“ (Kleiner Hinweis, wenn sich das wirklich jemand anhören sollte: Das ist kein schlechtes Englisch, sondern Pidgin (basierend auf Englisch, mit französischem und lokalem Einfluss) und das Anderssprachige zwischendurch eine der 230 Ethniensprachen des Landes).

Ich habe lange darüber nachgedacht, wie viel ich von meinem Standpunkt aus überhaupt verstehe, wiedergeben und vor allem auch bestätigen kann. Ich wohne in Baham, das liegt in der Region West, stark frankophonisiert (aka alle können französisch, kaum einer englisch sprechen und alles, was sich außen rum abspielt, dringt nicht immer ganz durch). Daher bin auch ich selten auf dem neuesten Stand über das ganze Land und man kann auch nicht alle Medien ernst nehmen, die hier verbreitet werden. Kleines Beispiel: Politik in Kamerun ist laut internationalem Index relativ stark korrupt, Medien und Öffentlichkeit beeinflusst und einseitig.

Was ich sagen kann: Die „anglophone crisis“ beschreibt den Konflikt zwischen der französischsprachigen Mehrheit und der englischsprachigen Minderheit, die sich unterdrückt und nicht stark genug wahrgenommen und repräsentiert fühlt. Dies besteht schon seit Langem, da durch das Regierungssystem mit dem „gewählten“ Langzeitpräsidenten Paul Biya (seit 1982) kaum einer Unvoreingenommenheit bestätigen kann. In Schulen im englischsprachigen Bereich werden Prüfungen teilweise auf Französisch durchgeführt, man spricht nicht immer freundlich über den anderssprachigen Teil und und und.

Inzwischen wird vor Reisen in anglophone Gebiete (dabei vor allem die Städte Bamenda und Buea) gewarnt, davon abgeraten und Freiwilligen verboten (Auswärtiges Amt). Klar dient dies als Vorsichtsmaßnahme und bedeutet NICHT, dass ständig Bewaffnete um sich feuern, Anschläge geplant werden und Krawalle erfolgen, trotzdem waren die Konsequenzen relativ stark.

Seit Dezember litten vor allem die Freiwilligen in den anglophonen Regionen an der Instabilität. Ein Verdacht auf Unruhe und sie wurden in französischsprachige Gebiete umquartiert, meistens Bafoussam oder Douala. Heimgekehrt wurde eine Ausgangssperre ausgerufen, d.h. zwischen 21.00 und 5.00 Uhr soll vermieden werden, auf die Straßen zu gehen. Internet wurde zensiert und die Freiwilligen dort, sowie Einwohner mussten über VPN und spezielle Apps auf Empfang hoffen. Dann das gemeinsame Seminar in Kribi Ende Januar. Während dieser Woche wurde ein Polizist in Bamenda erschossen, Anschläge vermutet. Resultat: Vorerst alle nach Bafoussam. So ging es hin und her, bis letztendlich entschlossen wurde, dass alle Freiwilligen im anglophonen Teil dauerhaft in den frankophonen Teil verlegt werden, bzw sogar heimgeschickt wurden. Es besteht immer noch die nächtliche Ausgangssperre, nur sonst keine Neuigkeiten. Vielleicht auch zum Glück. Vielleicht ist das alles auch übertrieben vorsichtig, weil in der Stadt selbst nie etwas passiert ist, es bekannte „Krisenherde“ im Umfeld gibt, die sich aber auch beruhigen.

Ich bin von nichts betroffen. Wenn sich jetzt jemand Sorgen über Krieg oder Anschläge macht, hat er das leider falsch verstanden. Es ist keine Panikmache, sondern der Versuch, die Realität so widerzuspiegeln, wie ich sie empfinde. Ich bin nicht unbeeinflusst, stehe zwar auf keiner Seite, aber bekomme vielleicht nicht alles mit und bin auch nicht unglaublich tief im Thema drin. Wenn ich etwas Falsches geschildert habe, dann bitte ich um Korrektur.

Um kurz zum Umzug an sich zurückzukommen, hier einige Fotos: ja, alle waren gut gelaunt und es wurde gelacht und gefeiert, gegessen und getanzt, denn wie ich schon einmal sagte, wenn sie schon einen Anlass haben, wird das meistens auch gleich ausgenutzt.