Ab in den Norden ..der Sonne hinterher

30Jan2018

Ne mal im Ernst --> so richtige Entwicklungshilfe?

Der Sous-Préfet von Baham kommt ursprünglich aus dem Norden Kameruns. Garoua, so heißt die Stadt neben seinem Village Boulgou. Er hat DG dazu eingeladen, sich dieses Dorf mal anzusehen und über die Konstruktion eines weiteren Centres vor Ort nachzudenken, da die Bevölkerung danach gefragt hat. Und ich hatte die große Chance, dorthin mitkommen zu dürfen.

Der Sous-Préfet von Baham ist nämlich gleichzeitig Chef du Village von Boulgou, also dort die oberste Instanz. Und einer der wenigen, der den Willen zeigt, sich richtig um sein Dorf zu kümmern. Er möchte ein Centre, um Bildung für die behinderten Kinder und Jugendlichen zu ermöglichen. Das Problem dort besteht auch darin, dass die Jugendlichen und vor allem junge Erwachsene keine Zukunftsperspektiven finden und daher wegziehen und somit ein Stück Heimat verlassen. Dementsprechend sind auch die Dorfbewohner entweder sehr jung oder ziemlich alt. Aber fangen wir lieber mal von vorne an.

Mittwoch gegen sieben Uhr wurde ich aus dem Centre abgeholt. Die Kinder verabschiedeten sich von mir als würde ich eine Weltreise antreten und meinten alle ganz lieb, dass sie mich so vermissen werden. Dabei hatte ich erst einmal 24 Stunden Fahrt vor mir. Vorausgesehen waren ja erst mal zwei Tage, da man über Yaoundé im Süden alles nochmal hoch und weiter fahren musste. Tag und Nacht. Was macht man dagegen? Schlafen. Mehr bleibt im Auto nicht übrig. Als ich dann nochmal aufwachte, sah ich rundherum einen ziemlichen Urwald. Natürlich keinen echten, aber viel mehr hohe Bäume, Palmen und andere Häuser. Aus Ästen wird ein Gitter gebaut und die Zwischenräume mit Erde gefüllt, das Dach aus Blech. Wir haben zwischendurch sogar die kleinen, runden Hütten von Pygmäen gesehen. Als ich dann am nächsten Morgen um 6 Uhr aufwachte nochmal alles anders: eher so Steppe, eher karg und sandig, alles beige, hellbraun und olivgrün, vereinzelt Bäume. Runde kleine Hütten mit Strohdächern in Strohpalisaden eingerahmt und alle Familien vor ihren Häusern neben riesigen Feuern. Es war ruhig und harmonisch, frisch. Später kamen wir in Garoua an, im Haus des Sous-Préfets, in dem uns seine Tochter empfang und umsorgte.

Am nächsten Morgen ging es dann ins Village. Schon vormittags machten wir die Tour durch die erste Hälfte der Quartiers, die relativ weit verstreut in der Einsamkeit liegen. Wir wurden von fünf bis sechs “notables“ (Berater des Chef du Village) empfangen und während unserer Tour schlossen sich immer mehr an und wir bildeten am Ende eine richtige Parade. Allgemein begegneten uns alle mit riesen Respekt. Uns wurden alle möglichen Früchte gezeigt und zum Probieren vom Baum gepflückt, irgendwie war auch so gut wie alles essbar. Und lecker, meistens süßlich. Am Abend machten wir dann den Rest der Tour, weil es zwischendurch zu heiß war. Auch hier saßen wir in fast jedem Hof, redeten so gut wie mit jeder Familie (ich verstand leider nicht so viel in der dorfeigenen Sprache) und hatten fast einen zweiten Empfang, als im Dunkeln die notables noch einmal auf uns warteten. Es gibt keine Elektrizität, die Stromleitung hat es nicht so weit geschafft und so saßen alle im Mondlicht auf einer Plane am Bode und unterhielten sich noch lange.

Am nächsten Morgen war der große Tag gekommen: Zur Reunion, die der Chef einberufen hatte, kamen Menschen auch noch aus den umliegenden Dörfern, mit Fahrrädern, Motos oder nach stundenlangem Fußmarsch an. Wieder wurden Planen auf dem Boden ausgebreitet und alle saßen auf den Boden. Zu dritt (der Sous-Préfet/Chef du Village, DG und ich) erklärten wir die Arbeit des Centres und wie man das hier umsetzen könnte. Der erste Minister übersetzte alles in den örtlichen Dialekt, der rein gar nichts mit dem Französischen zu tun hat. Alle, wirklich alle, jeder Einzelne hörte aufmerksam und gespannt zu. Applaudierte höflich und aber auch begeistert. Während DG sich um die Registrierung der Behinderten und Waisen kümmerte (das waren übrigens über 200), machte ich Fotos, schrieb das Protokoll fertig und setzte mich dann zu den Kindern. Sie erzählten mir, wie die großen Geschwister nach Ngaounderé oder in andere große Städte gegangen sind, wie sie jeden Tag vier Eimer Wasser vom Brunnen holen und wie sie Französisch erst in der Schule lernen. Und was sie später werden wollen, wohin sie unbedingt mal gehen möchten. Lauter liebe Kinder mit großen Träumen und leider wenig Möglichkeiten.

Dieses Treffen im Dorf hat mir unglaublich viel Hoffnung gegeben. Und Bestätigung, dass unsere Arbeit doch wirklich hilft und auch ihnen Zukunftsperspektiven geben kann. Natürlich ist damit nur ein kleiner, erster Schritt getan, Kontakt geschafft worden und jetzt steht das viel größere Projekt vor der Tür. Priorität hat natürlich unser Umzug in Baham selbst, der seit gut einem Jahr hätte stattfinden sollen, aber ein bisschen von den Spenden soll jetzt immer zu Seite gelegt werden und bei der nächsten Möglichkeit mit in den Norden. Mir ist auch klar, dass das ein Langzeitprojekt ist und ich davon erst mal nicht mehr allzu viel mitbekommen kann, aber trotzdem mit dabei sein zu dürfen und sogar für den Anfang verantwortlich zu sein, ist wirklich eine Ehre.

Ein kleiner persönlicher Kommentar: War ich die Tage doch recht schweigsam und habe nicht immer viel verstanden, sind mir die ganzen Eindrücke unglaublich viel Wert. Ich bin mir bewusst, welch große Möglichkeit ich hatte und dankbar, daran teilhaben zu dürfen. Ich nehme neue Erfahrungen mit und wundervolle Begegnungen.