Der große Bruder – Hommage an meinen Lieblingsfranzosen

23Juni2018

Baham, 19. Juni

- 11:00 Uhr: Abfahrt nach Douala

Douala, 23. Juni

- 19:00 Uhr: Eintritt in das Flughafengebäude

- 21:30 Uhr: Abflug nach Paris, bye bye Flo

Manche Menschen lernt man kennen, weil man das will und selbst einige Hindernisse dafür überwinden will. Andere will man erst gar nicht kennenlernen und dann gibt es noch solche, die einfach in dein Leben treten, da sind und nie wieder wegzudenken sind!

Und hier war es eher letzterer Art. Mein französischer Mitfreiwilliger Flo oder Floflo, le francais, wie wir ihn anfangs oft nannten und letztendlich der beste Freund, der aber mehr der große Bruder geworden ist, den ich davor nie hatte.

Von einem Tag auf den anderen sollten wir zusammenarbeiten. Neun Monate lang ohne sich jemals gesehen oder gesprochen zu haben, ohne den anderen zu kennen. Zusammen wohnen und arbeiten, so hieß es anfangs. Dann ging es weiter, nach der Arbeit gemeinsam auf den Markt, gemeinsam etwas trinken oder gemeinsam  Fußball schauen, gemeinsam zu Freunden und gemeinsam wieder heim. Aber irgendwie hat es sich nie gezwungen angefühlt. Irgendwie war es selbstverständlich und trotzdem jedes Mal Qualitytime, in der wir redeten, lachten, genervt oder deprimiert waren, um uns dann wieder zu motivieren. Gespräche mit nichts außer Wahrheit über den Alltag, die Leute, Gedanken und Gefühle immer mit der Sicherheit, verstanden oder zumindest akzeptiert zu werden. Ehrlichkeit ist eine Tugend und es war auch unser höchstes Maß.

Gemeinsam meisterten wir teilweise Überforderung, notwendige Anstrengungen und zuletzt wurden wir sehr gute Freunde, die nichts zu verstecken haben und auch nicht müssen. Warum ich ihn doch eher als großen Bruder sehe: Weil wir zusammen gewohnt haben und jeder die Macke des anderen kennt, sich darüber lustig machen oder aufregen kann und wir uns irgendwie immer gegenseitig helfen konnten. Und sei es nur eine Umarmung oder die Präsenz des Anderen, so konnten wir auch Stunden verbringen, ohne ein Wort zu sagen, aber es war trotzdem nie peinlich oder unangenehm.

Das Centre wurde sehr schnell unser Zuhause, aber es war auch immer klar, dass wir da mal raus müssen und neue Energie tanken, einen Ausgleich finden müssen. Anfangs waren das kurze Spaziergänge, bei dessen Rückweg wir uns dann meistens ein „Caramel“ (karamellisierte Erdnüsse) holten. (Unsere fast tägliche Untat, die dann leider durch die Krankheit der Maman, die die immer machte, ihr Ende fand). Gegen 16 Uhr gingen wir meistens auf den Markt und hatten wir mal nichts zu besorgen (Klopapier noch da, Basisprodukte im Kühlschrank, Kaffee noch nicht leer), landeten wir in der Boulangerie am Ende der Straße, unterhielten uns bei einem Bier oder einer Limo über Gott und die Welt und kamen gemeinsam auf den Geschmack kamerunischer Musik.

An all dem war das Schöne immer, dass nicht auf mich herabgeschaut wurde und mein Alter eigentlich keine Rolle spielte. Ob ich jetzt zwei oder fünf Jahre jünger gewesen wäre, er hat sich mir so angenommen, wie ich bin und mir immer direkt gesagt, wenn etwas nicht läuft. Und ich habe gelernt, genauso zu vertrauen und diese Basis konnte ich bis jetzt nur sehr selten erweitern. Mir bleibt nur, das zu schätzen und weiterzuführen, was dieses Jahr entstanden ist und uns aufrechtzuerhalten.