Berichte von 09/2017

Drei Kinder und eine Beerdigung

30Sept2017

Schon wieder ist eine ganze Woche rum. Letztes Wochenende scheint mir schon wieder ewig entfernt und es kommt mir allgemein so vor, als lägen meine letzten Wochen in Deutschland noch länger zurück, als sie es wirklich sind. Dabei ist mir an manchen Nachmittagen fast langweilig, wenn ich mit den anderen draußen auf der Bank sitze und um die angebrochene Gitarre trauere. (Die soll am Montag geleimt werden, damit ich mit den Kindern singen kann, aber auf Zeitangaben wird hier nicht immer wirklich viel Wert gelegt und ich bin mir ziemlich sicher, dass es auch noch eine Woche länger dauern könnte ..oder zwei ..oder oder oder;))

Die Arbeit ruft

Allerdings möchte ich erwähnen, dass ich inzwischen richtig gut klar komme und meine Arbeit auch langsam Form annimmt. Dank einer “kurzen“ Réunion vor dem Mittagessen (die dann ebendieses um gute zweieinhalb Stunden nach hinten verschob - und zwar für alle) bekommt mein Alltag hier Struktur. Ich stehe morgens zwischen fünf und sechs Uhr auf, rein in die Waschklamotten und Flipflops und dann gehts in die Schlafzimmer der Kinder. Vier von ihnen können sich nicht alleine waschen oder Zähne putzen und so ist das meine Aufgabe geworden, sie morgens aus den Federn zu holen und mit ins Bad zu nehmen. Dann werden Zähne geputzt und Wassereimer geschleppt, mit denen die Kinder und dann ihre Badeschlappen (was anderes trägt man hier nicht) gewaschen und geputzt werden. Nach dem Anziehen kümmere ich mich dann noch kurz um ein kleines Frühstück für Lea und mich, um die lange Zeit bis 10.00 Uhr zu überbrücken.

Frisch wird dann um acht Uhr wirklich in den Tag gestartet und seitdem die Kinder auf Lea und mich aufgeteilt wurden, lerne ich dann auch effektiver mit meinen drei Schützlingen Fadyl, Ulrich und Lynda schreiben und zählen. Zwischendurch spielen wir Memory, singen und tanzen (jeder nach seinen Möglichkeiten) und so lässt sich manche Motivationslücke überwinden. Nach der Schule sitze ich oft mit Jules, TaVi und anderen draußen und sehe den jüngeren Kindern beim Spielen zu. Abends verbringt man in der traditionellen Küche, der extra Steinhütte mit offenem Feuer, man isst, redet und lacht gemeinsam. Meistens gehen wir schon um halb zehn, zehn ins Bett und wenn ich einmal liege, schlaf ich auch meistens schnell ein.

 

Die Beerdigung

Es war fast schade, dass ich am Freitag dann das Centre für das Wochenende verlassen habe, um bei MaDe einer Beerdigung beizuwohnen, die Kinder hielten mich spaßeshalber fest und ich freu mich schon wieder, dorthin heimzukommen, was sich irgendwie absurd anhört, wenn man weiß, dass ich das gerade Samstagmorgens um halb sieben schreibe.Trotzdem war der gestrige Abend schön. Ich konnte mich endlich mal nützlich machen und einen Salat aus Bohnen, Karotten und Kartoffeln zubereiten, während MaDe andere Beschäftigungen zu erledigen hatte und bis Brice kam, der sich sonst meistens um die Küche kümmert. Nach dem Abendessen ging es um neun Uhr dann noch in die Kirche, in der die ganze Nacht durch ein Gottesdienst stattfinden soll, um bei der Verstorbenen (eine Nachbarin vom MaDe) zu bleiben.

Die Kirche war ein einfaches Haus mit einem einzigen größeren Raum, über dem Dachgebälk konnte man das Wellblech sehen und vorne war ein großes Holzkreuz, mit einer gelben Lichterkette umrahmt, gegen die Wand gelehnt. Als wir hereinkamen, wurde fröhliche Musik gespielt, neben Keyboard und Schlagzeug fand auch der E-Bass seinen Platz genauso wie ein Chor, der sich im Rhythmus zur Musik bewegte. Es wurde gepredigt und viel gesungen und wäre nicht vor uns eine Frau gewesen, die bitterlich geweint hätte und auch anderen hier und da eine Träne über die Wange gelaufen, hätte ich das eher für ein Fest gehalten. Trotzdem war es irgendwie besinnlich und freundlich zugleich. Der Raum wurde durch die Stimme des Predigers mithilfe eines leider schrecklich blechernen Mikrofons ausgefüllt und was an Raumgestaltung im Vergleich zu deutschen Kirchen fehlte, passte hervorragend zur Stimmung und Einfachheit, mit der hier alles bewältigt wird. Auf Plastikstühlen in engen Reihen lauschten wir noch eine Weile und fuhren (oder schlitterten vielmehr - es hatte angefangen zu regnen) eine Stunde später nach Hause zu MaDe und DG.


Heute war dann der zweite Teil und die Bestattung. Vormittags um zehn Uhr begann der Gottesdienst. Ganze drei Stunden saßen wir nochmals in der Kirche von gestern und lauschten den Worten der Prediger, Familienangehörigen und dem Gesang. Musik spielt eine große Rolle und es gab mehrere Chöre, die sich abwechselten. Das Besondere war außerdem, dass die Verwandtschaft der Verstorbenen komplett in Weiß gekleidet war und mit selbstgemachten Rasseln und Trommeln ihren Gesang begleiten. Alle anderen waren im familieneigenen bunten Kleidercode der Hemden unterwegs, nur wenige in Schwarz. Es war ein schönes Spektakel mit vielen Symbolen und auch, wenn ich nicht alles verstanden habe, bin ich dankbar dafür, dass MaDe uns mitgenommen hat. Nach dem Gottesdienst lief man eilig zum Haus der Verstorbenen, dort wurde der Sarg in das Grab heruntergelassen (das findet meistens auf dem Grundstück statt, uns wurde das so begründet, dass am Friedhof kein Platz mehr war). Das war auch einer der wenigen Momente, an denen die Leute nicht vergnügt und glücklich miteinander sprachen und einige sogar richtig weinten, während die Stimmung sonst sehr ausgelassen war.
Anschließend ging es zum Empfang und man durfte sich an allerlei kamerunischen Spezialitäten bedienen, von denen ich leider die Namen weder im Gedächtnis halten kann, noch hätte aufschreiben können. Es war auf jeden Fall lecker und die Tischgespräche lustig und unterhaltsam. Zuhause bei MaDe wurden dann die Leute eingeladen, die am Empfang nichts mehr bekommen haben und bis jetzt eben wuschen Jordan, Lea und ich stundenlang das Geschirr ab. 

(Im Nachhinein ist übrigens herausgekommen, dass über 1000 Leute aus ganz Kamerun die Beerdigung und Bestattung begleitet haben. Und genauso voll und laut und durcheinander kam es mir auch vor.)

Ich hoffe, es geht euch allen gut!

Willkommen und Abschied

23Sept2017

Kurzfristig hieß es, schon Montag sollten wir in der Einrichtung bleiben. Nach kamerunischen Verhältnissen wurde es Dienstag, als wir morgens mit unseren Handgepäckkoffern ankamen und Leben in das zweite Freiwilligenzimmer brachten. Unsere Vorfreiwillige Jana schlief noch im anderen Zimmer und würde am Freitagmorgen die große Heimreise antreten.

 

Umzug ins Centre

Da wir eh schon daran gewohnt waren, im selben Zimmer zu wohnen und im gleichen Bett zu schlafen, war das natürlich kein Problem für uns. Und die Kinder freuten sich. „Ihr schlaft heute hier, oder?“, „Ihr bleibt jetzt für immer bei uns, oder?“, wurden Lea und ich mehrmals gefragt und auf unser Nicken hin erfreut angestrahlt. Wir kamen also morgens normal mit DG um 8.00 Uhr in die Einrichtung und die einzige Veränderung war, dass wir nach Dienstschluss zwischen 16.00 Uhr und 17.00 Uhr nicht wieder mitheimfuhren.
Ob die „Arbeit“ dann wirklich aufhört? Das kommt auf die Definition von Arbeit an. Nach dem Mittagessen geht es meistens mehr darum, dass wir Freiwilligen die Kinder vom Vormittagsunterricht und die, die nach Schulschluss einzeln eintreffen, beschäftigen. Und das hört auch nicht auf, wenn der offizielle Arbeitstag rum ist. Was bis jetzt weiter nicht schlimm ist, da wir kein großartiges Programm gestalten sollten und somit eher mal hier Ball spielten, mal da einen Streit schlichteten, mal da bei den Hausaufgaben halfen.

 

Mein Tagesablauf

Der nächste Tag begann für uns um 5.20 Uhr. Ziemlich früh im Gegensatz zu den letzten Wochen, aber vermutlich ist auch das nur Gewöhnungssache und früher oder später werde ich (hoffentlich;)), wie Jana, von selbst um diese Uhrzeit aufwachen. Grund dafür ist nicht zuletzt, dass dann vor unserem Fenster gefegt wird, die ersten Kinder über den Hof laufen und einander zurufen, sie sollen dies und jenes machen.
Wir lernten an diesem Morgen, wie und welche Kinder von uns gewaschen werden sollen und wer das schon selbst schafft. Außerdem holten wir gefühlt hundert Eimer Wasser aus der Regentonne unten und schleppten sie zum Bewohnerhaus nach oben. Während sich einige für die Schule fertig machten, warteten die anderen schon darauf, später von uns unterrichtet zu werden.


Und so starteten wir um 8.00 Uhr und die sieben Kinder, die nicht zur öffentlichen Schule gingen, schrieben mehr oder weniger motiviert und fleißig Buchstaben und Zahlen auf Tafeln, zählten laut mit uns bis zehn und sangen die Wochentage sogar auf Deutsch. Um 10.00 Uhr ist Frühstückspause, in der jedes Kind ein halbes Baguette bekommt – mal mit Butter, mal mit „Erdnuss-Schoko-Aufstrich“ (quasi kamerunisches Nutella), mal ohne alles. Danach wird noch einmal bis 12.00 Uhr gepaukt, dann ist der Unterricht beendet. Mittagessen findet anschließend im großen Saal statt und danach machen die meisten, was sie wollen, solange es niemand anderen stört. Um 16.00 Uhr wird das Schneideratelier geschlossen und die externen Mitarbeiter gehen nach Hause. Zurück bleiben die Kinder, die Pensionäre und natürlich wir. Abends wird das Mittagessen nochmal aufgewärmt und anschließend sitzt man noch zusammen, draußen oder auch mal in der Küche ums Feuer, wenn es regnet oder zu kalt wird.

 

Janas Abschied

Schon am Mittwoch wurde ein Fest veranstaltet, gemeinsam groß gegessen und danach gesungen und getanzt. Jeder richtete sein Dankeschön an Jana und es berührte nicht nur sie, viele hatten Tränen in den Augen. Selbst für mich, die Jana nur drei Wochen persönlich kennengelernt hatte, war es komisch, am Freitag dann nicht mehr mit jeder noch so kleinen Frage und Unsicherheit zu ihr laufen zu können und die Kinder nun alleine zu waschen. Ich hatte vermutlich den sanftesten und einen sehr leichten Einstieg in mein Freiwilligenjahr, wie mir jetzt, wo ich mit Lea allein die Verantwortung trage, klar wird.
Und ich bin froh darüber, denn normalerweise sollen sich Vorfreiwillige und dessen Nachfolger nicht persönlich vor Ort treffen.

 

Das Wochenende

Freitagabends waren wir mit ein paar Leuten der Einrichtung noch auf dem Markt in Baham. Deutlich kleiner als in Bafoussam und dadurch auch irgendwie angenehmer. Mit Milchpulver (Milch wird hier nicht wirklich produziert und ist in Supermärkten nur teuer erhältlich) und Seife (es wird endlich Wäsche gewaschen), sowie neuem Kredit für das Handy ging es wieder nach Hause – ins Centre.

Allerdings haben Lea und ich nach der Woche voller Trubel beschlossen, Samstagvormittag (es wurde dann eher Nachmittag, weil der strömende Regen davor nicht aufhören wollte) zu Fuß zu DG zu gehen und sonntags mit dem restlichen Gepäck (dann aber mit dem Auto;)) wieder zurückzukommen. Die kleine Wanderung von einer Stunde tat gut, immerhin bewegt man sich unter der Woche nicht allzu viel vorwärts. Allerdings dürfen wir jetzt auch noch eine Hose mehr und die Schuhe waschen, da der Regen die Straße – aka rote Sandpiste – so aufgeweicht hatte, dass uns manchmal nichts anderes übrig blieb, als durch die orangefarbenen Pfützen zu laufen.

Jetzt sitze ich gerade auf dem altbekannten Bett und überlege, ob ich noch bei der Erdnussernte helfen soll.

Ich hoffe, es geht euch allen gut in Deutschland und bedanke mich noch einmal für die lieben netten Kommentare. Demnächst lade vermutlich einen Eintrag über das Essen und eine kleine Vorstellung des Centres und seiner Bewohner hoch.

Mit Königinnen und Taxifahrern – Bafoussam

17Sept2017

Geplant war, am Samstag einmal ein bisschen aus Baham rauszukommen und nach Bafoussam zu fahren, der nächstgrößeren Stadt, die auch wirklich groß ist! 300 000 Einwohner, mehrere Märkte, viel Verkehr und tausend Leute überall.

 

Spenden für das Centre

Kurzfristig sollten wir davor noch im Centre aushelfen und einen Spendenempfang vorbereiten. Also wurde der Saal geputzt und die Bänke aufgestellt, die Kinder liefen umher, wuschen Wäsche und putzten ihre Zimmer. Als die angekündigten Besucher dann eintrafen, wurden die Spenden feierlich in die Mitte des Saales gelegt und mehrere kurze Reden geschwungen. Auf spontane Initiative der Kinder wurde das Ganze mit Gesang untermalt. Alle haben sich unglaublich über ihre Hefte gefreut, die sie für die Schule noch nicht hatten, zudem wurden Seife, Reis, Spaghetti und andere Lebensmittel zur Verfügung gestellt.

 

Bafoussam

So gegen Mittag konnten wir dann nach Bafoussam fahren. Allerdings stellte sich das mit dem Taxi nehmen schon mal als etwas komplizierter heraus, als man es sich vorstellt. Am Taxistand in Baham war genau ein Taxi, das fahrbereit gewesen wäre, aber nicht wusste, wo genau wir hinwollten. So setzte uns DG kurzerhand einfach in das Auto von einer der Königinnen der Chefferie, die zufällig vorbeifuhr und wir wurden umsonst bis zur Post in Bafoussam mitgenommen. Dort stiegen wir eine knappe halbe Stunde später aus. Zum Glück hatten wir die beiden anderen Freiwilligen, mit denen wir uns treffen wollten, schon gesehen (was an sich aufgrund der Hautfarbe ja wahrlich kein Meisterwerk ist,) uns aber trotzdem beruhigte, da die Eindrücke schon wieder haufenweise auf uns einprasselten. Erst da wurde mir klar, wie ländlich Baham ist und was für ein Glückslos ich damit gezogen habe, denn die Stille und Ruhe,weite Felder und Wälder gefallen mir doch besser.

Allerdings muss man dazu sagen, dass Bafoussam auch wirklich sehr laut ist, im bunten Treiben (von jeder Ecke aus wird dir Neues angeboten, Verkäufer versuchen, mit Taxis, Motos und anderen die Straße zu teilen und aus den Lautsprechern kam laut immer dasselbe Lied) ging es in den Straßen bergauf, bergab. Als wir zu viert beim Essen saßen und auf unseren Avocadosalat warteten, der umgerechnet nicht mal einen Euro gekostet hat, dafür aber umso leckerer war, mussten wir uns schon eher anschreien, um alles zu verstehen.

Das wurde auf dem Marché nicht besser, aber vermutlich blendet man die Lautstärke irgendwann aus, vor allem, wenn man in engen Gängen zwischen Tomaten, Papayas und Klamotten von den Verkäufern schon fast zum Stand gezogen wird, damit sie ihre Waren präsentieren können. Das war einerseits ganz lustig, andererseits war ich froh, dass ich nur die anderen beiden Freiwilligen begleitete und selbst nichts kaufen musste. Die Auswahl und das Unwissen über den Preis würden mir schwer zu schaffen machen. Zudem kamen dauernd „la blanche“-Rufe (die Weiße) von vielen Seiten. Was wir genervt oder als Beleidigung wahrnehmen, ist für diese Menschen vermutlich wirklich einfach nur eine Bezeichnung, immerhin kann jede junge Frau "Mademoiselle" genannt werden, aber nur wenige "la Blanche". Trotzdem war ich in dem Moment damit einfach überfordert, während die Freiwilligen aus Bafoussam schon gar nicht mehr darauf reagierten. (Ich will an der Stelle auch nicht verherrlichen, dass alle genau so denken, selbst wenn manche eine andere Absicht haben, führt der Großteil doch nichts im Schilde!)

Auch hier wurde mir wieder klar, dass Baham unser kleiner Schutzort ist, hier wurden wir noch nie so gerufen und vielleicht höchstens mal schräg angeschaut. Auch als wir gegen Abend mit dem Taxi wieder heimfuhren, fühlte es sich schon fast wie nach Hause kommen an, man kannte die Straßen ein bisschen und wusste den Weg zum Centre und dass die Menschen dort sogar auf uns warteten.

 

Taxifahren

Apropos Taxifahrt, diesmal schafften wir es wirklich, und so saßen wir nach dem Tag voller Eindrücke ein bisschen erschöpft zu siebt in einem Auto, das fragwürdig unrund lief. Zu zweit auf dem Beifahrersitz und hinten zu viert, vorher fährt man nicht los. Dass ich dabei halb auf Leas Schoß saß und mein Sitznachbar mich als Lehne benutzte, damit alle Türen zu gingen, scheint hier so normal, wie der Hahn, der morgens um vier das Krähen anfängt. Auch so einige der Autos qualifizieren sich meist dadurch, dass sie noch rollen, ob jetzt die Windschutzscheibe ganz ist oder Sitzgurte vorhanden (die man ja eh nicht hernehmen könnte und auch nicht braucht, weil man quasi in Position gedrückt wird), wir sind gut angekommen und zahlten den normalen Preis wie jeder andere auch. Das waren umgerechnet 90 Cent. Ob bzw. warum hier für uns alles günstiger ist, dazu in einem anderen Eintrag dann mehr.

Bafoussam ist von der Größe zwar nur ein Bruchteil Doualas, aber vom Treiben her vermutlich sehr ähnlich, abgesehen vom Klima natürlich. Hier wird es auch warm, wenn die Sonne scheint, aber es ist besser verträglich, weil es trockener bleibt. In den nächsten Monaten werde ich mich wohl daran gewöhnen müssen, denn der Marché in Baham ist nur alle acht Tage und Obst und Gemüse in Bafoussam in einer ganz anderen Auswahl und Vielfalt vorhanden. Außerdem gab es wirkliche Supermärkte, die einen kleinen europäischen Anklang haben, auch wenn es vermutlich andere Dinge gibt. Aber da möchte ich auch mal reinschauen.

Wo ist das Leitungswasser, der Strom, Elektrizität?

14Sept2017

So gut die letzte Woche mit der Erdnussernte samstags aufgehört hatte, ging schon gleich meine nächste Woche eher weniger erfreulich los. Ich muss mich wohl bei einem Kind angesteckt haben oder bin doch selbst für meine Erkältung verantwortlich, die mich dann Dienstag und Mittwoch erst mal zurück ins Bett brachte. Egal woher, ich wurde so gut umsorgt, dass ich heute, am Donnerstag schon wieder in die Arbeit gehen konnte. Dank ziemlich scharfem Ingwertee und „la tisane“ (Eukalyptus-Blätter oder andere Blüten mit heißem Wasser übergossen, das man erst inhaliert und dann trinkt) bin ich jetzt schon wieder auf den Beinen und habe morgens mit den Kindern zusammen zählen, rechnen und schreiben geübt und nachmittags mit ihnen herumgealbert.Das Highlight war übrigens, dass das Wasser aus der Leitung funktionierte und sogar die Klospülung einmal richtig durchspülte. Das wird nämlich sonst immer mit Eimern voller Regenwasser oder dem aus den Speichercontainern erledigt.

  Damit wurde ich sehr schnell wieder gesund :)

Der Umgang mit Wasser

Der ein oder andere wird jetzt vermutlich die Augen verdrehen oder angeekelt weiterlesen (wenn er das überhaupt noch tut), aber das funktioniert durchaus ganz gut, ich lebe in keinem Bakterienzoo und Hygiene geht hier auch sonst nicht unter. Lediglich die Mittel zum Wäsche waschen, Abspülen oder „duschen“ sind andere. Das Leitungswasser wird zuhause beim DG durch aufgefangenes Regenwasser ausgeglichen (was in der Regenzeit natürlich durchaus Sinn macht). Trinkwasser wird erst durch einen Filter gelassen oder als Tee sowieso abgekocht. Zum Wäsche waschen und Abspülen gibt es jeweils Seife, die ebenso eine desinfizierende Wirkung hat wie das Mittel, dass man in die Eimer voller Wasser gibt, um sich danach mit ihnen zu duschen. Dass das Wasser hier zum Waschen kalt ist und bleibt (es sei denn, man will sich den Luxus gönnen, vorher einen Teil aufzukochen, um das zu vermischen – aber nee, viel zu aufwändig;)), daran muss ich mich gewöhnen. Was relativ schnell geht, weil ich ja eh erst meine Haare kopfüber und dann den Rest wasche. Das ist schon etwas aufwändig und man überlegt sich das Haare Waschen zwei Mal.
Im Centre gibt es mehrere Speichervorräte, die immer aufgefüllt werden, wenn dann doch mal Wasser aus der Leitung kommt und so wird das, vor allem jetzt zur Regenzeit, auch eher selten knapp.

 

Wetterphänomene

Das zweite Highlight war der Eisregen. Ja, in Kamerun, Afrika. Glaubt mir wahrscheinlich keiner. Während den ganzen Tag die Sonne angenehm warm schien und wir im T-Shirt herumlaufen konnten, zog es gegen Nachmittag (also zum Ende meiner Arbeitszeiten) ziemlich zu. Was mit leichtem Nieseln anfing, endete in unendlich lautem Prasseln auf dem Blechdach. Außerdem bildete sich schnell eine kleine Sintflut vor der Anhöhe zum Haupthaus und die orangefarbenen Pfützen wurden immer größer. Unter dem Vordach saßen wir gemeinsam draußen, bis es dann plötzlich zu Hageln anfing. Beziehungsweise ist das ein Phänomen, von dem ich nicht genau weiß, wie man es nennen soll. Aus kleinen Eiskristallen wurden größere, die der Wind schließlich immer mehr zu uns blies. Wir verschanzten uns letztendlich im Haus und zogen die Tür hinter uns zu. Nun war nur noch das monotone Geräusch des Regens auf dem Dach zu hören, das allerdings so laut war, dass man sich schon fast gegenseitig anschreien musste, um sich zu verstehen.

 

Strom und Licht

Dazu kam dann das mit der Elektrizität. Nicht nur einmal flimmerten die Lampen kurz oder gingen einen Moment ganz aus. Stromausfall steht hier aber eher an der Tagesordnung, wenn auch nur einige Minuten oder manchmal auch ein paar Stunden. Gleich zu Anfang durften Lea und ich ein Extrem miterleben, über zwei Tage lang gingen weder Strom noch Licht. Das war auf der Reise von Douala nach Baham und die Freude groß, als es plötzlich hieß „la lumière est revenue!“ („Das Licht geht wieder!“). Ohne Powerbank hätten unsere Handys das wohl eher nicht so lange mitgemacht. Meist zuck ich nur noch kurz, wenn das Licht ausgeht und ich gerade am Lesen oder Schreiben bin und vertraue darauf, dass es gleich wieder angeht. Ist dies nicht der Fall, dann sitzen wir beim Abendessen nun mal mit Solarlampen am Tisch. Ich gewöhne mich daran, damit lockerer umzugehen und mein Akku hält hier eh viel länger, weil wir tagsüber meistens etwas zu tun haben.

Zusammenfassend hoffe ich, keinen Befürchtungen zu entsprechen. Wir sind in keiner Weise knapp an Wasser oder Lebensmitteln und wenn es doch kälter wird, hilft auch eine zweite Jacke gut. Klar, die Bedingungen sind hier anders, fließend Wasser ein kostbares Gut und Strom und Licht der Natur (oder - ich trau es mich kaum zu sagen - der Willkür des dominierenden Anbieters) ausgesetzt, aber die Menschen hier kennen es nicht anders und ich gewöhne mich sehr viel schneller daran, als ich erwartet hätte. Man lebt hier eben mit dem, was man bekommt.
Und gerade diesen simplen Lebensstil will vor allem DG uns nahebringen. „Der Mensch ist nicht das, was er hat. Der Mensch ist das, was er für die Anderen tut.“, meint er. Und erklärt, dass es ihn nicht reizt, noch ein Auto, oder ein schickes Auto, ein größeres Haus oder mehr Geld zu haben. Wichtiger sei, das zu haben, mit dem man gut leben könne und mit dem übrig Bleibenden für Andere, die Hilfe benötigen oder zu wenig haben, zu sorgen. Und ihm ist wichtig, dass wir mit einer ähnlichen Einstellung nach Deutschland gehen und auch dieses Gedankengut weitertransportieren. Kamerun ist für ihn nicht arm. Kamerun hat fruchtbare Böden und viel Jugend und sei somit auf dem besten Wege zu einer besseren Zukunft. Wenn nur Geld nicht so wichtig wäre…

Ob ich das selbst alles so ganz unterstütze, darüber bin ich mir noch nicht wirklich klar. Ich komme nun mal aus anderen Umständen und "bei uns in Europa“ spielt Geld nunmal eine wichtigere Rolle. Der Denkanstoß ist auf jeden Fall gegeben, darüber vermutlich im Laufe des Jahres noch einiges mehr. 

DANKE übrigens an alle netten Kommentare von Euch. Ich bin froh, dass ihr mich so unterstützt!!!

“Frauen in die Küche“

10Sept2017

Um das zu erklären, muss ich erstmal ausholen und von vorne anfangen: Am Donnerstag, 31. August 2017, ging meine große Reise los. Als ich mich von Freunden am Tag vorher oder von meiner Familie am Flughafen selbst verabschiede, fällt es mir schwer, zu begreifen, dass ich ein Jahr lang auf einem anderen Kontinent lebe; dass ich nicht für ein, zwei Wochen in den Urlaub fliege, sondern 365 Tage weg sein werde. Und ich verstehe das wahrscheinlich immer noch nicht so ganz.

Schon im Flugzeug nach Douala, der größten Stadt und dem Wirtschaftszentrum von Kamerun, waren wir, meine Mitfreiwillige Lea und ich, plötzlich in Hautfarbe und Sprache unterlegen. Und auch der in Deutschland populäre Vegetarismus war auf dem Flug nicht mehr Thema. Man entschied zwischen Huhn und Fisch. Also aß ich zum ersten Mal seit sieben Jahren Vegetarierdasein wieder Fisch, mit einer zimtig-scharfen Tomatensoße und Reis. Und das war auch nicht das letzte Mal, das kann ich schon einmal vorhersagen.


Douala

Sechs Stunden später landeten wir in einer anderen Welt! Die Fahrt vom Flughafen zum Haus der Pokams (so hieß mein Chef) lies mich staunen. Um mich herum tausende Motos mit drei Sitzen und etwas ältere Taxis, die teilweise zu dritt nebeneinander auf der Straße fuhren. Auf den Motos sitzen bis zu vier Leute, manchmal mit lebendigen Ziegen und riesigem Gepäck und die fahren dann hupend zwischen Obstständen und Menschenmassen, die sich Taschen oder Matratzen, Bananen und andere Früchte ansehen. Die Läden sind größtenteils auf die Straße verlegt, in den halbfertigen Häusern dahinter eher Lagerräume oder Wohnungen der Verkäufer. Mir ist viel zu heiß. Bei 35 Grad und offenen Fenstern fahren wir mit 60km/h auf der Autobahn (mit Zebrastreifen und Leuten, die überall den Weg kreuzen) Richtung Wohnsiedlung. Hier endet die geteerte Straße, stattdessen beginnt eine Piste auf sandiger hellbrauner Erde mit Furchen und Löchern, die aufgrund der Regenzeit mit gelbbraunem Wasser gefüllt waren, sodass man auf keinen Fall mehr als 20km/h fahren kann.
Zuhause beim DG (directeur général, so wird der Leiter Zacharie Pokam der Einrichtung von allen genannt) angekommen hieß es: „Fühlt euch wie daheim!“. Lea und ich teilten uns die nächsten zwei Nächte ein Bett und den Hof noch mit einigen anderen Familien. Die Nähe unterstreicht die solidarische und warme Art des Umgangs sehr gut. Dauernd passiert etwas, die Nachbarskinder schauen kurz in die Küche oder spielen mit uns, Hühner picken und die Hähne krähen ab fünf Uhr morgens. Nach einer kurzen schwülwarmen Nacht mit Stromausfall (wovon leider auch der Ventilator über dem Bett betroffen war) sind wir mit dem Auto durch die Stadt gefahren, haben DG bei seinen Erledigungen begleitet und sind dabei gleichzeitig in die unheimliche Dynamik und das bunte Treiben von Douala eingetaucht.

   

Am nächsten Tag ging vormittags die große Reise weiter, fünf Stunden Autofahrt in eine andere Region liegen vor uns. In Baham, 1600m Höhenlage und angenehme 15-20°C mit wechselnd Regen und Sonnenschein kommen wir letztendlich gut sechs bis sieben Stunden nach Aufbruch an. Auf dem Weg musste unser Auto mit dem schweren Gepäck im Kofferraum und auf dem Dach schon ziemlich leiden, trotzdem wurde unterwegs bei Straßenständen noch fleißig Obst eingekauft. Papaya, Bananen, Orangen, von denen wir im Auto dann schon kosten durften. Im Gegensatz zu manchen tropischen Früchten in Deutschland eine Geschmacksexplosion voller Süße und Reife.
Die Dörfer, die wir durchfahren, werden immer seltener, die Häuser immer weniger und die Landschaft immer bergiger. Schließlich erreichen wir das Haus des DG, das – wie sich im Nachhinein herausstellt – noch für die nächsten drei Wochen unser Zuhause sein soll. Das liegt daran, dass die Freiwillige des letzten Jahrgangs erst im September anfing und deshalb auch erst gegen Ende September diesen Jahres abreisen wird. Dann ziehen wir in die Einrichtung.

Baham ist ruhig, das Haus sehr idyllisch umgeben von einem Garten mit Avocado- und Bananenbäumen, Salat und Karotten. Hier ist auch sehr viel mehr Raum, die Küchen groß – ja, es gibt zwei: die cuisine moderne (mit Gasherd und sogar Backofen) und die cuisine traditionnelle (eine Feuerstelle). Hier nun auch die Anekdote zur Überschrift: Im abendlichen Gespräch mit meinem zukünftigen Chef hat er mir Unterschiede zwischen Deutschland und Kamerun aufgezeigen wollen. Da gehört für ihn auf jeden Fall dazu, dass in Deutschland so viele Männer kochen und das aber in Kamerun sehr selten ist und traditionell die Frau kocht und der Mann höchstens beim Vorbereiten oder Spülen hilft. Seine Meinung.

 

Meine Arbeit

Das Schuljahr beginnt hier am vierten September und auch die Sommerferien in der Einrichtung sind vorbei. Association Humanitaire pour la Promotion des Personnes Vulnérables, kurz auch AHP²V oder Centre genannt, weil das am unkompliziertesten ist. Seit einigen Jahren trägt sie diesen Namen, denn davor waren nur Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit körperlichen oder geistigen Behinderungen aufgenommen worden. Seit der Erweiterung können alle sozial Benachteiligten um Aufnahme bitten und auch Waisen oder Personen mit Bildungsbedürfnis sind willkommen. Hier leben alle friedlich zusammen und schätzen einander, ohne sich überlegen zu fühlen.
Jedoch ist die ersten Tage nicht viel mit Arbeiten, denn die Kinder trudeln hier seit Montag langsam nacheinander ein. Am vierten Tag haben wir 15 gezählt, es sollen noch 25 werden. Die, die schon angekommen sind, beginnen ihren Alltag wieder. Dazu gehört für die meisten, morgens in die öffentliche Schule zu gehen. Wenige andere wiederum, die körperlich oder geisitg zu sehr eingeschränkt für den Weg oder den Unterricht sind, bleiben in der Einrichtung und werden von uns Freiwilligen individuell im Lesen, Schreiben oder Rechnen gelehrt.
Inzwischen ist die erste Schulwoche um und alles spielt sich langsam ein. Die Kinder kommen schnell auf uns zu und akzeptieren so gut wie jeden. Gemeinsam werden Mandalas gemalt, Buchstaben geübt oder Rechenaufgaben gemeistert. In den nächsten Wochen erarbeiten wir  mit DG ein Programm und der „Unterricht“ nimmt dann hoffentlich Form an.

 

Das Wochenende

„Vous êtes libre!“ (Ihr seid frei.). Wir können und sollen also wirklich machen, was wir wollen. Da wir derzeit noch beim DG wohnen, haben wir den Luxus, dass seine Frau MaDé für uns mitkocht und wir uns darum nicht selbst kümmern müssen. Samstag hat mir viel Abwechslung gebracht. Da der Hahn hier lauter kräht als alles andere, bin ich dementsprechend früh aufgewacht und auch aufgestanden, da an Einschlafen nicht mehr zu denken war. Schnell ist klar geworden, dass Lea und ich bei der Erdnussernte helfen. Vormittags gingen wir zu fünft aufs Feld, die Jungs schlugen die Wurzeln aus dem Boden und wir zwei Mädels pflücken davon die Erdnüsse ab. Die Zeit verging wie im Flug, als wir gute fünf Stunden später zwei Felder und noch einen Rest von den letzten Tagen bearbeitet hatten. Währenddessen hörte man immer wieder Gesang und Musik, sowie Schüsse, da um uns herum mehrere Beerdigungen stattfanden (Samstag ist hier der übliche Tag dafür). Vielleicht berichte ich schon bald darüber, wenn ich Ende des Monats selbst mit dabei sein werde.