Berichte von 05/2018

"BHB – beignet haricot bouillie"

27Mai2018

So hieß mein Wochenendprojekt. Das hatte ich den Kindern versprochen, seitdem ich mit der Frau eines Mitarbeiters „couper les beignets“ (eine Art nicht süßer Krapfen, den man „schneidet“) gelernt habe. Und das war irgendwann im März oder so, also schon längst überfällig. Relativ unsicher für die Menge von 25 Leuten fragte ich Père George nach Rat: heraus kamen 5 kg Mehl und dementsprechend auch die anderen Zutaten in relativ großer Menge. Dazu kamen dann noch die Bohnen (Haricot) mit allem drum und dran eine zu schwere Einkaufstasche, von der deshalb der Henkel abriss. Deshalb musste ich ein Moto nehmen, nur leider hatte ich keine 100 Francs mehr, sondern nur 75 Francs (25 Francs ist die kleinste Einheit). Ich hoffte einfach auf einen netten Motofahrer, der mal ein Auge zudrücken kann und glücklicherweise hat der erste, den ich gefragt habe, das dann auch gleich akzeptiert. Der grüßt mich jetzt immer ganz lieb, wenn wir uns über den Weg laufen.

Einmal zuhause sah ich nur den großen Berg an Tomaten, der aufgeschnitten werden sollte, das ganze Grünzeug, die roten Bohnen und den Rest für den Krapfenteig. Die Bohnen stellten die Kinder abends aufs Feuer, darum hatte ich sie gebeten, da das Kochen mehrere Stunden dauert. Am nächsten Morgen stand ich um sechs auf, um den Teig anzusetzen, dass rechtzeitig zum Frühstück alles fertig war. Was ich dabei verplant habe: die Zeit, die es benötigt, die Beignets zu formen und zu frittieren.

Wir schnitten davor alles mögliche auf, das in die Bohnen musste: Zwiebeln, Tomaten, Lauch, Sellerie und und und und letztendlich blieb noch der Knoblauch und Piment, den wir auf Stein klein mahlen wollten. Das Ganze kam aufs Feuer und wurde dann relativ schnell fertig. Dann ging aber die Arbeit erst richtig los. Beignets beignets beignets. Und wir hatten uns in der Menge vermutlich leicht überschätzt, es wurden locker mehr als 300, sodass die Kinder am nächsten Morgen die Reste reichlich mit in die Schule nehmen konnten, das war der Vorteil. Der Nachteil war, dass ich gute vier Stunden mit zwei Kindern zusammen am Feuer saß und wir immer wieder kleine Teigmengen ins Öl gaben, die sich dann aufblasen und schön goldbraun werden. Dabei hab ich mir auch leicht mein Bein verbrannt, das blieb noch einige Tage lang gerötet, aber was macht man nicht alles für seine Kinder. Und die waren alle glücklich und zufrieden. Ich also auch.

   

Kloster-Hopping oder Foumban?

22Mai2018

Wann immer ein Deutscher (oder ein "Europäer", hierbei vor allem über die Hautfarbe definiert, auch wenn das rassismuskritisch nicht ganz einwandfrei ist) nach Baham kommt und Freunde diese Person kennen, sind wir die Ersten, die das ganz unbedingt erfahren müssen, weil wir sie ja kennen könnten. Bei den über 83 Millionen Menschen, die allein in Deutschland leben, auch überhaupt nicht unwahrscheinlich. Dadurch wurde mir aber angeboten, Foumban anzusehen. In der Gegend der Bamoun gilt diese Stadt mit dem Sultanspalast als großes Kulturgut und ist eigentlich ein Touristenmuss. Einem Deutschen, der zu Besuch in einem Krankenhaus war, in dem Freunde von mir arbeiten, sollte Foumban gezeigt werden und ich war dann natürlich auch mit dabei. Das Krankenhaus war früher ein medizinisches Ausbildungszentrum für Schwestern, die vor allem aus dem anglophonen Bereich kamen und so machte sich eine recht lustige Gesellschaft (wir zwei Deutschen, die verantwortliche Schwester, anglophon, und unser Freund, frankophon) auf den Weg.

Typisch kamerunisch waren natürlich auch noch tausend andere Dinge zu erledigen und so war der erste Stopp dann in Bafoussam beim Bistum. Der Deutsche hatte dem Krankenhaus in Baham Spenden erbracht und dort wurde dann über deren Einsatz gesprochen. Es ging um die Förderung eines neuen OP-Hauses. Die weiteren Stopps wurden mir dann auf dem Weg erklärt und mir wurde dann erst klar, dass es nicht nur nach Foumban ging. Aber da ich ja schon im Auto saß, nahm ich die Abenteuerreise mal an.

Zuerst zu einem Schwesternheim seitlich neben der Hauptstraße nach Bamenda. Dieses Kloster lag im Grünen und machte mit der langen Auffahrt und schön angelegten Gärten rechts und links zum Haupthaus ein eindrucksvolles Bild. Es lag ruhig vor einem kleinen Dorf und war relativ groß. Wir machten eine kleine Besichtigungstour, sahen Kühe (echte Milchproduktion), Hühnerfarm und Hasen neben Mangobäumen und allen möglichen Pflanzen. Dann wurden wir eingeladen, selbst produzierten Joghurt (JOGHURT, den ich seit ca 8 Monaten nicht mehr gegessen hab)  mit Keksen zu essen (da kommt man nicht drum rum, aber das war in Ordnung und ziemlich lecker), es wurden Souvenirs gekauft und dann gings weiter. Zum nächsten Kloster…

Dabei ging es erst durch Foumbot, die Stadt, in dessen Umfeld unser Landwirtschaftsprojekt liegt und musste feststellen, dass ich das immer relativ unterschätzt habe, weil ich sonst nur die Peripherie zu sehen bekam. Davor überquerten wir den Noun (ein Fluss, der als Grenze dient) und waren in der Region der Bamoun. Irgendwann machten wir uns dann auf von der Hauptstraße ins Nirgendwo, gut 15 Minuten fuhren wir einen extrem hügeligen und löchrigen Weg entlang zu einem abgelegenen Kloster. Dort empfingen uns Männer in Uniform mit Kalaschnikow in der Hand, um das Tor zu öffnen und nahmen unseren Ausweis ab, damit wir hinein durften. Mir kam das Ganze sehr absurd vor. Er klingelte und eine Art Feueralarm ertönte, um unseren Besuch anzukündigen. Weiter vor dem Gebäude warteten wir lange Zeit, aber irgendwie kam keiner auf uns zu. Als wir dann nachfragten, hieß es, es wird gerade gegessen und danach müssen sich die Mönche noch ausruhen, bevor sie uns empfangen können. Das war alles sehr skurril und unter uns Deutschen deuteten wir auf eine versteckte Militärmission (natürlich eher scherzhaft als ernst, aber bizarr war die Situation auf jeden Fall), die wir dann wieder verließen.

Mittlerweile war es schon Nachmittag und wir seit morgens unterwegs, um nach Foumban zu kommen und ich fing an zu zweifeln, ob wir überhaupt noch dahin kommen würden, denn die Schicht von unserem Freund fing um 16 Uhr an. Glücklicherweise nehmen es die Kameruner mit der Uhr nicht so genau und wir kamen dann auch wirklich in Foumban an. Standen vor dem Sultanspalast, den der Opa vom jetzigen König der Bamoun hat bauen lassen. Unglaublich beeindruckend, wenn man die sonstige Architektur damit vergleicht und das neue Museumsgebäude war noch mehr ein Hingucker. Auf dem Dach thronte eine riesige Spinne, die zusammen mit einer zweiköpfigen Schlange und eine Glocke im Dreigespann das Symbol der Bamoun ist. Wir bekamen eine Führung und durften uns dann selbst aussuchen, wie viel man den Fakten bezüglich der Echtheit abverlangen kann, denn so ganze ohne Mythos geht es hier gar nicht. So sollten wir einen der Könige mit 2,60m Körpergröße als größten Krieger bestätigen und einen anderen, der seine eigene Schrift erfunden hatte, die auch heute noch gelehrt wird.

Am Ende durften wir eine traditionelle Hochzeitsmusik hören und uns wurden viele unbekannte Musikinstrumente angeboten. Dann ging es weiter zum zweiten Schauplatz, einer aus Bambus gebauten Kabine, die eine riesige Trommel beherbergt. Sie sah aus wie ein hingelegter halboffener Baumstamm und war dazu da, die Bevölkerung bei Notstand zu alarmieren. Wir spazierten noch ein bisschen über den Markt, mussten aber dann wieder nach Hause kommen.

Inzwischen war es 18 Uhr und ich wurde noch von den Schwestern zum Essen eingeladen, um danach heimzugehen und im Centre erstmal groß erzählen. Ich konnte nur leider keine Fotos machen, weil ich mein Handy in Reparatur gegeben hatte. Dies leider völlig umsonst, weil keine Lösung gefunden wurde, Fotos habe ich trotzdem keine, aber die Erinnerungen bleiben.

20. Mai – La fête de l’Unité Nationale …aber wo bleibt die Einheit?

21Mai2018

Tag der Vereinigung oder Tag der Einheit. Zu diesem Anlass wird in jeder Stadt ein großer Umzug veranstaltet, alle Autoritäten sind vor Ort, es wird gefeiert und bis spät in die Nacht getrunken und getanzt. Zum Anlass der Einheit. Seit 46 Jahren wird dieses Fest der Einheit abgehalten und doch stellt man sich die Frage, welche Vereinigung gemeint ist. Seit einigen Jahren treten zunehmend vermehrt Spannungen zwischen französisch- und englischsprachigem Teil auf, die zu mehr oder weniger starken Konsequenzen führen. Die Leute nennen dieses Problem inzwischen „anglophone crisis“. Es bleibt also die Frage: welche Einheit?

1972 wurde ein Referendum abgehalten. Es ging dabei darum, den französisch- und britisch regierten Teil Kameruns zu vereinen. Vereinfacht kann man das an der Flagge erklären. Zu Anfang waren zwei Sterne zu sehen, einer für den französisch regierten Teil, einer für den britisch regierten Teil; diese wurden dann in einem Stern in der Mitte der Flagge vereint.

Ein kamerunischer Sänger, Mr Leo, hat zur "anglophone crisis" ein Lied geschrieben: „Pray“. https://youtu.be/tbZwuNNnVvE Es gibt darin einen Satz, der das Ganze auf Menschlichkeit rausbringt: „We are one big family, your brother cannot be the enemy. […] We just need to love one another no need to mash up the people.“ (Kleiner Hinweis, wenn sich das wirklich jemand anhören sollte: Das ist kein schlechtes Englisch, sondern Pidgin (basierend auf Englisch, mit französischem und lokalem Einfluss) und das Anderssprachige zwischendurch eine der 230 Ethniensprachen des Landes).

Ich habe lange darüber nachgedacht, wie viel ich von meinem Standpunkt aus überhaupt verstehe, wiedergeben und vor allem auch bestätigen kann. Ich wohne in Baham, das liegt in der Region West, stark frankophonisiert (aka alle können französisch, kaum einer englisch sprechen und alles, was sich außen rum abspielt, dringt nicht immer ganz durch). Daher bin auch ich selten auf dem neuesten Stand über das ganze Land und man kann auch nicht alle Medien ernst nehmen, die hier verbreitet werden. Kleines Beispiel: Politik in Kamerun ist laut internationalem Index relativ stark korrupt, Medien und Öffentlichkeit beeinflusst und einseitig.

Was ich sagen kann: Die „anglophone crisis“ beschreibt den Konflikt zwischen der französischsprachigen Mehrheit und der englischsprachigen Minderheit, die sich unterdrückt und nicht stark genug wahrgenommen und repräsentiert fühlt. Dies besteht schon seit Langem, da durch das Regierungssystem mit dem „gewählten“ Langzeitpräsidenten Paul Biya (seit 1982) kaum einer Unvoreingenommenheit bestätigen kann. In Schulen im englischsprachigen Bereich werden Prüfungen teilweise auf Französisch durchgeführt, man spricht nicht immer freundlich über den anderssprachigen Teil und und und.

Inzwischen wird vor Reisen in anglophone Gebiete (dabei vor allem die Städte Bamenda und Buea) gewarnt, davon abgeraten und Freiwilligen verboten (Auswärtiges Amt). Klar dient dies als Vorsichtsmaßnahme und bedeutet NICHT, dass ständig Bewaffnete um sich feuern, Anschläge geplant werden und Krawalle erfolgen, trotzdem waren die Konsequenzen relativ stark.

Seit Dezember litten vor allem die Freiwilligen in den anglophonen Regionen an der Instabilität. Ein Verdacht auf Unruhe und sie wurden in französischsprachige Gebiete umquartiert, meistens Bafoussam oder Douala. Heimgekehrt wurde eine Ausgangssperre ausgerufen, d.h. zwischen 21.00 und 5.00 Uhr soll vermieden werden, auf die Straßen zu gehen. Internet wurde zensiert und die Freiwilligen dort, sowie Einwohner mussten über VPN und spezielle Apps auf Empfang hoffen. Dann das gemeinsame Seminar in Kribi Ende Januar. Während dieser Woche wurde ein Polizist in Bamenda erschossen, Anschläge vermutet. Resultat: Vorerst alle nach Bafoussam. So ging es hin und her, bis letztendlich entschlossen wurde, dass alle Freiwilligen im anglophonen Teil dauerhaft in den frankophonen Teil verlegt werden, bzw sogar heimgeschickt wurden. Es besteht immer noch die nächtliche Ausgangssperre, nur sonst keine Neuigkeiten. Vielleicht auch zum Glück. Vielleicht ist das alles auch übertrieben vorsichtig, weil in der Stadt selbst nie etwas passiert ist, es bekannte „Krisenherde“ im Umfeld gibt, die sich aber auch beruhigen.

Ich bin von nichts betroffen. Wenn sich jetzt jemand Sorgen über Krieg oder Anschläge macht, hat er das leider falsch verstanden. Es ist keine Panikmache, sondern der Versuch, die Realität so widerzuspiegeln, wie ich sie empfinde. Ich bin nicht unbeeinflusst, stehe zwar auf keiner Seite, aber bekomme vielleicht nicht alles mit und bin auch nicht unglaublich tief im Thema drin. Wenn ich etwas Falsches geschildert habe, dann bitte ich um Korrektur.

Um kurz zum Umzug an sich zurückzukommen, hier einige Fotos: ja, alle waren gut gelaunt und es wurde gelacht und gefeiert, gegessen und getanzt, denn wie ich schon einmal sagte, wenn sie schon einen Anlass haben, wird das meistens auch gleich ausgenutzt.

 

Regensaison ohne Regen - Wasserknappheit

15Mai2018

Erst einmal ein „Hallo“ an alle, die noch lesen und die ich so lange hab warten lassen. Grund dafür gibt es eigentlich keinen richtigen. Nur irgendwie passierte nichts Neues mehr, nichts, worüber ich wöchentlich hätte berichten können. Keine aufregenden Events und Veranstaltungen, zu denen man einen ganzen Eintrag hätte schreiben können. Hier also nun eine Zusammenfassung des Monats April.

Nachdem ich meine Malaria richtig auskuriert hatte, hab ich mir in den Ferien Rastas machen lassen. Darauf hatten die Kinder seit Ewigkeiten gewartet und auch sonst wurde mir immer wieder gesagt, ich solle das unbedingt machen. Und irgendwie saß ich dann relativ schnell beim Friseur. Mir wurde gesagt, ich soll eher früh kommen und von kamerunischen Freunden, die ich schon zum Friseur begleiten durfte, wusste ich, dass das mehrere Stunden dauert und da war ich dann. Und um mich herum plötzlich fünf jugendliche Mädels und die Chefin, die Haare einflechten, Kunsthaarsträhnen hinzufügen und die angefangenen Zöpfe fertig flechten. Mein Kopf wurde in alle Richtungen gezogen und ich fühlte mich am Ende so, als würde ich dauerhaft einen 5-Liter-Kanister auf dem Kopf tragen. Dank der Vielzahl an Helferinnen war ich aber pünktlich zu Mittag durch und durfte mir zuhause anhören, dass ich jetzt eine richtige Kamerunerin sei.

Nach den Ferien ging die Arbeit normal weiter. Wobei wir Freiwilligen eine Zusatzaufgabe hatten: DG flog für ein zweiwöchiges Seminar meiner Organisation nach Deutschland und wir halfen ihm, dafür eine Präsentation und einen Flyer zu erstellen. Mit seinem Abflug verschwand auch das Leitungswasser. Und daraus entwickelte sich ein Problem.

Die vier 1000-Liter Kanister waren schneller leer als gedacht und so ging das Eimerschleppen von neuem los. Anstatt wieder zum Brunnen gute 500 Meter weiter zu gehen, holten wir unser Wasser aus einem kleinen Bach, dem Marigo. Es ist zwar kein Trinkwasser, aber zum Waschen und Kochen geht es einwandfrei. Nur fingen die Kinder an, das auch zu trinken, da nichts anderes da war. Zuerst hatten meine Kleinen, die ich morgens wasche, unerfreulicherweise Durchfall (gerade im Zusammenhang mit Wasserknappheit), dann der nächste eine Wurminfektion und ich selbst zog mir eine andere Infektion zu, die mich einige Tage ins Bett brachte (zuerst dachten wir, ich hätte einen Malariarückfall aka 39,5 Fieber, Schwindel, Gliederschmerzen etc. aber Antibiotika hats wieder gut gemacht).

Zweites Problem: Wäsche waschen. Auch am Marigo, zwar an einer anderen Stelle ca. 1km entfernt, aber dafür mit Waschplatz. Das Schlimmste daran ist, die ganze Wanne voller nasser Klamotten dann wieder heimzutragen. Dabei hilft mir zum Glück meistens Chimi. Und so ging das Wochenende rum. Und kein Leitungswasser kam. Dank der unschönen Trinkwassererfahrungen ging ich mit einem Bewohner des Centres eine halbe Stunde zu Fuß zu PaMo, um dort mit 5-Liter-Kanistern und 1-Liter-Flaschen Trinkwasser zu holen und auch wieder heimzuschleppen. Aber irgendwie wurde es nicht besser. Normalerweise können wir in der Regenzeit gut vom Regenwasser profitieren, nur leider blieb der aus. Und kommt auch jetzt nur alle paar Tage relativ sparsam. Das Eimerschleppen geht also weiter. Hinzu bergrunter und mit 30Kilo Wasser dann bergauf. Die Jungs tragen zum Teil zwei 20Liter Kanister und jeder das, was er kann. Seit drei Wochen warten wir inzwischen auf fließend Wasser. Hoffnung nicht verlieren. Spaß an dem haben, was möglich ist.