Berichte von 06/2018

Foumbot und Hochzeiten der Bamoun

29Juni2018

Kinderbesuche… das hört sich irgendwie nicht richtig an, aber ich finde im Moment auch kein besseres Wort dafür. Meine erste Station war schon in Douala, als Flo heimflog. Kurz vorher haben wir noch bei Maiva vorbeigeschaut und ihr und ihren großen Schwestern beim Kartoffeln schälen geholfen, da sie daraus Pilé machen und das auf der Straße verkaufen. So eine Art Imbissbude gibt es in Kamerun an jeder Ecke, mit Spaghetti-Omelett, Avocado-Püree und oft auch Bohnen oder Pilé (zerstampfte Kartoffeln mit roten Bohnen und Röstzwiebeln).

Nächste Station waren vier Tage Foumbot. Gemeinsam mit einem der Bewohner, die über die Ferien im Centre bleiben und der auch eingeladen war, ging es auf zur Hochzeit in die Gegend der Bamoun. Die sind zwar noch Bamiléké, aber haben irgendwie einen zusätzlichen eigenen Kulturteil, der durch das Reich des Sultans von Foumban ausgeprägt wurde. Bevor es zur Hochzeit am Freitag und Samstag kam, wurden wir Donnerstag erstmal herzlich empfangen. Assan, der Cousin von Nouria, der aber mit ihnen wohnt, führte uns ein bisschen durch Foumbot und zu seiner Familie am anderen Ende der Stadt und somit verbrachten wir den ganzen Tag relativ schnell. Abends warteten wir dann mehrere Stunden auf eine weitere Freundin, die eintreffen sollte, und da das kamerunisch durcheinander ablief, wir somit mehrere Runden zum Carrefour machten, dass selbst die Leute dort anfingen, sich zu fragen, was genau wir denn suchen.

Nächster Tag: Um fünf Uhr morgens fängt die Moschee direkt neben dem Haus an, zu singen. Somit war an ausschlafen nicht wirklich zu denken und wir hatten ja auch Programm, sodass wir alle recht früh aus den Federn kamen. Zum Frühstück gab es Omelett im Baguette und wir machten uns auf Spaziergang. Auf und ab ging es zu der alten Schule von Assan und nochmal zu seiner Familie, damit auch die Freundin, die erst gestern Abend ankam, alle kennenlernte. Gegen Mittag kamen wir dann wieder zurück und es gab Couscous (nicht den grobkörnigen;)). Couscous ist eine Spezialität aus der Gegend der Bamoun und wird dort ein bisschen anders zubereitet als im Rest des Landes. Im Prinzip wird nur Maismehl in Wasser eingerührt, aber das kann zu verschiedenen Konsistenzen führen und irgendwie hat jeder so seinen Geheimtipp. Das Ganze wird mit Tomatensoße oder Gombo (so glitschiges Gemüse, das für ein ziehendes grünes Etwas in der Soße verantwortlich ist) oder beides vermengt gegessen. Gombo hab ich gelernt zu mögen, hat aber einige Anlaufzeit gebraucht und die Technik zum Essen mussten mir die Kinder im Centre auch lange beibringen. Man isst Couscous mit der Hand und taucht das in die Soße ein, dreht die Hand und macht eine kleine Wurfbewegung, damit das nicht alles wieder runterflutscht. Hört sich vermutlich weniger appetitlich an, als es dann wirklich schmeckt.

Gegen Nachmittag ging es dann auf den ersten Teil der Hochzeit. Weit draußen im Nirgendwo am Geburtsort der Frau (im Kamerunischen nennt man das dann „brousse“ = im Busch). Die Zeremonie war ein bisschen traditionell orientiert und mit ganz viel Gesang wurde die Familie des Ehemannes angekündigt. Die kamen mit vielen Dingen: Stühlen, Getränken, Gebetsteppichen und was man noch so braucht und dann wurde die sich verheiratende Frau gesucht. Gemeinsam mit einer anderen jungen Frau wurden sie auf zwei Stühle im Mittelpunkt gesetzt und die anderen umkreisten die beiden singend. Ihnen wurden die Füße und die Hände gewaschen und ein bestimmtes Öl benutzt, dann wurden sie hinausgeführt, um sich einzukleiden. Beide bekamen die genau gleiche Kleidung aus demselben Stoff, nur wirkte eine weniger glücklich als die Andere. Lange haben wir überlegt, ob der Ehemann Polygamie unterschrieben hat und die beiden auf einmal heiratet oder wie auch immer, bis wir dann fragten und aufgeklärt wurden. Es wird eine Frau aus der Familie des Mannes ausgewählt, die sich sieben Tage lang um den Haushalt der frisch Verheirateten kümmert, kocht usw. Warum sie die Zeremonie so mitmacht? Tradition ...und das Ganze war sehr viel mehr verständlicher.

Danach sollte es noch eine kleine Feierei geben, ein DJ war eingeladen, Generatoren für Strom mit genügend Treibstoff angeschafft und dann kam eine Mama, die sich weigerte und somit drohte, das ganze Fest zu platzen. Nach langem Diskutieren wurde dann doch akzeptiert und wir, die eigentlich schon heimwollten, waren mehr oder weniger dort festgehalten, weil die wenigen Motos, die da waren, nicht bereit waren, gerade für uns zu arbeiten. So schauten wir dem ganzen Trubel ein bisschen länger zu und es kam zu den „tours d’honneur“ (=Ehrenrunden). Und da Assan dort sehr tief mit hineingehörte, kam ich gar nicht darum herum, dass mein Name durchs Mikro ertönte und ich mir von den vorgestellten Herren einen für den nächsten Tanz aussuchen musste. Das gab natürlich einen guten Anblick und ich wartete nur darauf, dass es vorbei war. Dann kam auch noch die Musik dazu: Bamoun, typisch Bamoun. Das heißt für mich vor allem vollkommen unbekannt. Und so wurden mir zwar ein paar Grundschritte beigebracht, aber ich hatte das Gefühl, mich immer noch gut zum Affen zu machen. Irgendwann nachts konnten wir dann glücklicherweise auch heim.

Nächster Tag: Assan hatte ein Fußballspiel, da schauten wir zu und abends ging es auf die offizielle Hochzeit. Die lief dann ab wie die meisten anderen auch, nur dass man dort nicht zurückhaltend ist wie sonst und ich schon wieder zu den Tours d’honneur tanzen durfte oder sollte. Diesmal vor noch mehr Leuten, aber war ganz lustig, weil mein Tanzpartner Angst hatte, dass es mir unangenehm sei und alle zwei Sekunden fragte „ca va?“. Auch da kamen wir wieder spät nach Hause, aber lustig war es und mir hat sonst noch gut gefallen, dass es keine Sauferei gab. In der Gegend sind sehr viele Muslime und auch das Hochzeitspaar und somit wurde anstatt Wein und Whisky eher selbst gepresster Ananassaft verteilt.

Den letzten Tag nutzten wir dann, um ein bisschen touri zu sein. Wir wollten zu einem Kratersee, allerdings gibt es Aberglauben, dass man davor den Chef du Village um Erlaubnis fragen muss und dies und jenes tun soll, um nicht dort für immer festgehalten zu werden. Das ist jetzt eine Glaubensfrage, aber man hatte Angst um mich und somit begnügten wir uns, einen etwas steilen Hügel hochzuklettern und die Aussicht von da aus zu genießen.

 

Neues vom Landwirtschaftsprojekt – Maisernte

26Juni2018

Eine ganz schöne Weile war es her, dass ich mit aufs Feld gefahren bin. Es waren ja auch immer andere Pflichten zu erledigen, die Kinder zu unterhalten und unterrichten, sich um dies und jenes kümmern und als junges Mädchen hat man ja eh kaum die Kraft und das Durchhaltevermögen, richtig sinnvoll mitarbeiten zu können (Vorurteile pur). So wurde die letzten Monate immer begründet, es sei besser, wenn ich bei meinen Kindern bleibe etc etc.

Jetzt, da ja alle weg sind und auch Flo das Land verlassen hat, war es für mich eigentlich kaum eine Überlegung wert, ich wollte auch mal wieder sehen, wie es dort voran geht. Was ich nicht wusste: an demselben Tag haben sich das ungefähr 20 andere Personen auch gedacht und so standen wir zu 18 hinten auf der Ladefläche des PickUps, der auch vorne in der Kabine komplett besetzt war. Gar nicht so einfach, wenn das Auto einem dann plötzlich klein vorkommt und der 30 Jahre alte Motor vorsichtig rattert.

Und das gute zwei Stunden lang mit ständigem Hin- und Herschaukeln, weil die Straße immer noch so schlecht ist wie Anfang des Jahres. Dafür gibt es auch nicht allzu viel Hoffnung, denn das ist schon seit Jahren so und wird sich vermutlich zunehmend verschlechtern. Da ja Regenzeit ist, wurde das Ganze ein Ratespiel, denn die Tiefe der mit Wasser gefüllten Pfützen variiert zwischen 20 cm und 1 Meter. Einige Male hieß es „Descendez!“ und wir zu 18t hinten alle schnell runtergesprungen, bisschen angeschoben, Pfützen ausgewichen und wieder raufgeschwungen. Auf die Dauer von zwei Stunden wird das nicht nur anstrengend, durch das ständige Bremsen hat man irgendwann bei 20 km/h das Gefühl, man ist gerade ziemlich am Rasen.

Endlich angekommen ging es dann an die Maisernte. Natürlich wollte ich davor noch schnell die zwei Familien grüßen, die durch unsere Versammlung im Norden jetzt permanent in Foumbot vor Ort arbeiten. Der kleinste, Nestor, hat immer noch Angst vor mir (ungewohnte Hautfarbe) und lief schnell sich verstecken. Immer wenn ich an ihm vorbeimusste, machte er einfach tapfer die Augen zu im Sinne „aus den Augen, aus dem Sinn“. An dem Dienstag brannte die Sonne unermüdlich vom Himmel und bescherte zwar so jede Menge getrockneten Mais, den wir dann Kolben für Kolben abbrechen und in Säcken zum Haus transportierten, mir persönlich aber auch eine schöne leicht rote Haut, die die Anderen alle sehr lustig fanden.

Was sich vielleicht nicht wirklich anstrengend anhört, kann ganz schön ausarten und wir waren von 10 bis 16 Uhr damit beschäftigt, den ganzen Mais abzubrechen, den Weg bis zum Haus mit großen 50kg Säcken zu schleppen, zu sortieren und im Dachgebälk einzulagern. Das ständige in den Sack Werfen, die Tragerei und auch die Wegstrecke machten mich ziemlich schnell fertig und ich durfte das auch noch am nächsten Tagen in einem schön starken Muskelkater am linken Arm spüren.

 

Doch das wars noch nicht. Ein bisschen erschöpft kletterten wir dann wieder zu 18t auf die halbbeladene Ladefläche und machten vielleicht drei, vier Kilometer, als der Motor meinte „Stopp“. Natürlich ist ein solcher Toyota Hilux nicht für 21 Leute und einige Säcke Mais, die wir nicht am Feld gelassen haben, gemacht, aber probiert wird trotzdem immer und überladen gibt es in Kamerun so als Wort vermutlich gar nicht. Trotzdem hieß es für uns dann: Zu Fuß gehen. Und weil gerade bergauf den Motor so erhitzt, wurden wir unten rausgelassen und sollten uns oben am Hügel wiederfinden. Taten wir auch, aber aufsteigen? Nee. Erst einmal vorbei und weiter zu Fuß, um sich am Ende der Hügelkette wiederzufinden. Zu einem gewissen Zeitpunkt überholte uns die gute alte Karre und ab diesem Moment hofften wir, nach jeder Serpentine den parkenden Toyota zu sichten. Und wurden sehr oft enttäuscht. Eins ist sicher, wir haben einige Kilometer und eine knappe Dreiviertelstunde Fußmarsch hinter uns und am Ende des Tages, als wir wieder in Baham waren, hieß es nur noch duschen, essen, schlafen.

Der große Bruder – Hommage an meinen Lieblingsfranzosen

23Juni2018

Baham, 19. Juni

- 11:00 Uhr: Abfahrt nach Douala

Douala, 23. Juni

- 19:00 Uhr: Eintritt in das Flughafengebäude

- 21:30 Uhr: Abflug nach Paris, bye bye Flo

Manche Menschen lernt man kennen, weil man das will und selbst einige Hindernisse dafür überwinden will. Andere will man erst gar nicht kennenlernen und dann gibt es noch solche, die einfach in dein Leben treten, da sind und nie wieder wegzudenken sind!

Und hier war es eher letzterer Art. Mein französischer Mitfreiwilliger Flo oder Floflo, le francais, wie wir ihn anfangs oft nannten und letztendlich der beste Freund, der aber mehr der große Bruder geworden ist, den ich davor nie hatte.

Von einem Tag auf den anderen sollten wir zusammenarbeiten. Neun Monate lang ohne sich jemals gesehen oder gesprochen zu haben, ohne den anderen zu kennen. Zusammen wohnen und arbeiten, so hieß es anfangs. Dann ging es weiter, nach der Arbeit gemeinsam auf den Markt, gemeinsam etwas trinken oder gemeinsam  Fußball schauen, gemeinsam zu Freunden und gemeinsam wieder heim. Aber irgendwie hat es sich nie gezwungen angefühlt. Irgendwie war es selbstverständlich und trotzdem jedes Mal Qualitytime, in der wir redeten, lachten, genervt oder deprimiert waren, um uns dann wieder zu motivieren. Gespräche mit nichts außer Wahrheit über den Alltag, die Leute, Gedanken und Gefühle immer mit der Sicherheit, verstanden oder zumindest akzeptiert zu werden. Ehrlichkeit ist eine Tugend und es war auch unser höchstes Maß.

Gemeinsam meisterten wir teilweise Überforderung, notwendige Anstrengungen und zuletzt wurden wir sehr gute Freunde, die nichts zu verstecken haben und auch nicht müssen. Warum ich ihn doch eher als großen Bruder sehe: Weil wir zusammen gewohnt haben und jeder die Macke des anderen kennt, sich darüber lustig machen oder aufregen kann und wir uns irgendwie immer gegenseitig helfen konnten. Und sei es nur eine Umarmung oder die Präsenz des Anderen, so konnten wir auch Stunden verbringen, ohne ein Wort zu sagen, aber es war trotzdem nie peinlich oder unangenehm.

Das Centre wurde sehr schnell unser Zuhause, aber es war auch immer klar, dass wir da mal raus müssen und neue Energie tanken, einen Ausgleich finden müssen. Anfangs waren das kurze Spaziergänge, bei dessen Rückweg wir uns dann meistens ein „Caramel“ (karamellisierte Erdnüsse) holten. (Unsere fast tägliche Untat, die dann leider durch die Krankheit der Maman, die die immer machte, ihr Ende fand). Gegen 16 Uhr gingen wir meistens auf den Markt und hatten wir mal nichts zu besorgen (Klopapier noch da, Basisprodukte im Kühlschrank, Kaffee noch nicht leer), landeten wir in der Boulangerie am Ende der Straße, unterhielten uns bei einem Bier oder einer Limo über Gott und die Welt und kamen gemeinsam auf den Geschmack kamerunischer Musik.

An all dem war das Schöne immer, dass nicht auf mich herabgeschaut wurde und mein Alter eigentlich keine Rolle spielte. Ob ich jetzt zwei oder fünf Jahre jünger gewesen wäre, er hat sich mir so angenommen, wie ich bin und mir immer direkt gesagt, wenn etwas nicht läuft. Und ich habe gelernt, genauso zu vertrauen und diese Basis konnte ich bis jetzt nur sehr selten erweitern. Mir bleibt nur, das zu schätzen und weiterzuführen, was dieses Jahr entstanden ist und uns aufrechtzuerhalten.

303 Tage – 10 Monate Großfamilie

15Juni2018

Fast ein ganzes Jahr lang 20 Geschwister haben – so genau in dem Sinne habe ich mir das zwar anfangs nicht ausgesucht, aber willkommen in meinem Freiwilligendienst in einem Centre für sozial vernachlässigte und / oder behinderte Kinder und Jugendliche.

Und jetzt sind die Kinder alle weg. Am 18. Juni war der Abholtag und tatsächlich kam auch der Großteil der Mütter (und einige Väter, aber stark in der Unterzahl) pünktlich an diesem Tag. Und nahmen mir meine Kinder weg. Also, es sind ja deren Kinder, aber sie sind mir so stark ans Herz gewachsen, nannten mich zum Teil sogar wirklich Maman (natürlich die Kleinen) und ich wurde auch vom Personal scherzhaft „La mère des enfants“ genannt, da ich mich halt um sie kümmerte.

303 Tage morgens Kinder waschen – 303 Tage deren Frühstück machen – 303 Tage Wassereimer für sie tragen und Rollstühle schieben – 303 Tage kleine Wunden verarzten und Grippe etc. auskurieren – 303 Tage die Wäsche der Kleinen waschen – 303 Tage Umarmungen, Spiele und Freundschaften ausmachen – 303 Tage Lachen, Labern und Lieben – 303 Tage Familie

Wer bin ich, der einfach so in den Alltag der Kinder treten konnte und plötzlich eine so wichtige Bezugsperson geworden ist. Wer bin ich, der meint, den Kindern ohne Ausbildung schulisch lesen und schreiben beibringen zu können. Wer bin ich, der so einige Male Streitereien schlichten sollte und sich und seine Meinung und allgemeine Prinzipien durchsetzt. Wer bin ich, um all das von den Kindern zu verlangen und warum habe ich es verdient, dass sie mich akzeptieren, mir Wärme und Freundlichkeit entgegenbringen. Wie bin ich einfach so Teil der Familie geworden, ohne das wirklich zu verstehen und zu merken.

Jedes Jahr kommen hier neue Freiwillige und doch werden sie jedes Jahr aufs Neue herzlichst aufgenommen und eingegliedert, ohne Vorurteile, ohne große Probleme und ohne Angst, sich emotional zu sehr an die Person zu hängen. So schön es ist, den Kindern und Bewohner*innen so nah gewesen zu sein, so leerer ist jetzt irgendwie das Centre und auch mein Herz (klingt übertrieben, aber so fühlt es sich an). Nicht nur die Kinder und Bewohner*innen sind auf mich zugekommen, auch ich habe mich sehr fest in diese Familie eingefügt und mein gerade noch so stabiler Platz im Mutter-, Schwester- oder Freundedasein scheint sich irgendwie in Luft aufgelöst zu haben. Sie sind alle weg. Und mein Herz und meine Gefühle, die daran hängen, wurden mit fortgezogen, in jede Ecke Kameruns, wo die Kinder jetzt zwei Monate bei ihren Familien verbringen.

Wem das jetzt zu sentimental wird, der kann gerne aufhören zu lesen und ich verlange von niemandem, das nachempfinden oder nachvollziehen zu können. Ich denke nur an den kleinen siebenjährigen Ulrich, der sich schon eine Woche vorher Gedanken gemacht hat, wofür er mir danke sagen will und an den Vater von Junior, der einige Tage früher gekommen ist und diese mit uns verbracht hat und so stolz war, als er mich zu ihnen nach Hause eingeladen hat und ich denke an die Spiele wie Eierlauf, Stopptanz und Sackhüpfen, die wir am Tag des Abschlussfestes gemacht haben und den Spaß, den wir dabei alle hatten.

Und es ist an diesem Punkt, dass ich mir darüber bewusst werde, dass dieser Freiwilligendienst schon lange nicht mehr nur Aufregung und ein Abenteuer ist, sondern mein Leben. Mein ganz normales Leben, nur an einem anderen Ort, in einem anderen Land. Dass ich schon lange über kulturelle Unterschiede und Sprachbarriere hinweg bin und einfach hier dazu gehöre, fest eingebunden bin und meine Rolle in der Gesellschaft gefunden habe. Ich lebe hier.

Jetzt, wo die Kinder und Bewohner*innen fast alle weg sind, muss ich mir noch einmal über meine Rolle klar werden. Es organisiert sich alles noch einmal anders, ich wohne im Centre jetzt nur noch mit zwei Bewohnern, die nicht in ihre Familien gehen können und habe auch sonst kaum noch eine große Aufgabe, wie die, sich um meine ganzen kleinen Rabauken zu kümmern und mit den Größeren gemeinsam Hausaufgaben erledigen, zu reden, zu spielen und Zeit zu verbringen.

Hier noch ein paar Fotos zum Abschlussfest:

    

Hörgeräte für Cami und ein neues Atelier

10Juni2018

Im Oktober 2017 erreichte mich eine private Spende über 300 Euro mit dem einzigen Hinweis „für etwas Gutes in Kamerun“. Diesem Herrn G. Warning würden meine Kinder aus dem Centre und ich gerne danken, wie auch immer er vielleicht zu erreichen ist. Ansonsten bleibt uns nichts anderes übrig, als das hier öffentlich zu machen und somit ein paar Worte der Dankbarkeit auszudrücken.

Was mit dem Geld passiert ist: gemeinsam mit dem Direktor und dem Personal unserer Einrichtung haben wir überlegt, wie das am besten eingesetzt werden kann. Dadurch kamen wir auf folgende Lösung:

  • 100 Euro habe ich behalten, um mich am Wochenende um das Frühstück aller Kinder zu kümmern. Das ist normalerweise nicht im Essensprogram eingerechnet, es wird von ihnen selbst Mittagessen zubereitet (das dauert meistens einige Stunden) und bis dahin durchgehalten. So konnte ich aber jetzt ab und zu Beignets auf dem Markt holen und der kleine Hunger zwischendurch wurde gestillt, an einem anderen Tag haben wir BHB (siehe letzter Blogeintrag) gemacht und alle sehr gut gegessen.
  • Ein weiterer Großteil wurde Cami zu Nutzen. Er ist eines der Herzensmitglieder des Centres und seit den Anfängen dabei. Überall, wo Hilfe gebraucht wird, ist er mit dabei, wenn man um Hilfe fragt, bekommt man nie ein "Nein" als Antwort und seine täglichen Aufgaben sehen ungefähr so aus: Holz hacken, Wasser holen, schwere Dinge schleppen, Kinder im Rollstuhl zwischen Centre, Reeducation und Schule hin- und herschieben etc. Er selbst konnte leider nicht in die Schule gehen (auch wenn es sein allergrößter Wunsch ist), da er immer schlechter hört und sich dadurch auch nicht gut ausdrücken kann. Letztens wurde ein Hörgerät für ihn gefunden, nur leider musste das auch auf ihn angepasst werden. Dadurch war die Fahrt nach Bafoussam ins CERSOM nötig und dafür wurde auch ein Teil der gespendeten Summe benutzt. Dafür sagt Cami jetzt jedem ganz stolz „Ca va? Ca va bien! Je comprends! Je comprends!“ (Wie geht’s dir? Mir geht’s gut! Ich versteh dich! Ich versteh dich!) Jeden Morgen kommt er zu uns in den Salon, um seine Hörgeräte zu holen und gibt sie mir abends pflichtbewusst ab, damit wir sie sicher aufbewahren.

  

  • Der überbleibende Rest wurde zur Konstruktion eines weiteren Ateliers eingesetzt, dass ab nächstem Jahr mit zur Produktion beitragen soll: Es wird ein spezieller Ofen zum Früchte trocknen gebaut, die dann ebenfalls wie die Feld-Produkte verkauft werden sollen und somit zu den Einnahmen beitragen. Dadurch kann sich das Centre mehr und mehr selbst finanzieren und wäre nicht mehr in dem großen Ausmaß auf Spenden angewiesen wie im Moment. Weder der Staat noch eine einheimische Organisation unterstützen unsere Einrichtung auf Langzeitbasis.

 Der Ofen fehlt noch, der Trockenraum muss austrocknen, aber die Arbeit geht trotzdem voran.

Ich will hier keine Mitleid-Aktion einführen, aber trotzdem ist jede Spende, die im Centre ankommt, nützlich und für das Weiterkommen aller nötig. Durch das transparente System ist es auch möglich, einen Bereich auszuwählen, in den man sein Geld stecken will, und dessen Verwirklichung nachverfolgen kann. Selbst wenn es 50 Euro sind, ist das Essen für 20 Kinder für ein, zwei Wochen gesichert und eine Belastung weniger. Ich will hiermit aber niemanden verpflichten, es soll sich niemand persönlich angesprochen oder angegriffen fühlen. Ich persönlich habe die Chance, dieses Projekt vor allem vor Ort zu unterstützen, aber natürlich auch anderweitig mögliche Beiträge zu leisten, so zum Beispiel den Bekanntenkreis zu erweitern.

Mein damaliges Spendenkonto ist inzwischen geschlossen.

Schreibt mir bei Interesse doch trotzdem gerne eine Mail oder über das Kontaktformular, ich stelle dann die Verbindung zum Direktor her.