Selbstkritik

31Aug2021

Warum mein Blog nicht mehr ohne Kommentar stehen bleiben kann!

Vor fünf Jahren entschied ich mich relativ leichtfertig dazu, einen Freiwilligendienst machen zu wollen. Vor vier Jahren saß ich dann in einem Flieger nach Kamerun, direkt nach dem Abi und eher ziemlich jung und naiv. Mit den besten Intentionen, meine Familie und Freunde an meiner Reise und den Erfahrungen teilhaben zu lassen, begann ich, diesen Blog zu verfassen und relativ direkt und ohne Filter über meine Erlebnisse, meine Begegnungen und Höhen und Tiefen zu berichten.

Heute, gut drei Jahre nach Beendigung des Dienstes, würde ich viele Dinge nicht mehr so beschreiben oder formulieren wie damals. Selbst wenn ich auch damals schon auf eine sensible und diskriminierungsfreie Sprache geachtet habe, sehe ich heute mit deutlich mehr Wissen nochmal einige Dinge anders. Ich würde vielleicht auch mehr darauf achten, meine selektiven Eindrücke als solche zu betiteln und hätte den Umgang mit (v.a. negativen) Stereotypen vielleicht schon früher zum Thema selbst gemacht.

Problematik

Meine Berichterstattung war und ist noch immer subjektiv - und bewusst oder unbewusst von Stereotypen, internalisierten Machtstrukturen und Denkmustern geprägt. Obwohl ich auch damals mit einer gewissen Sensibilität und dem Versuch der Reflektion an das Berichten gegangen bin, bringe ich heute einfach mehr Hintergrundwissen mit, vor dem bestimmte Aussagen kritisch, problematisch oder schlichtweg falsch sind.

Lösungsansatz

Ich möchte mit diesem Kommentar einen Prozess beginnen, der einzelne Aussagen kritisiert und hinterfragt und gleichzeitig aber nichts überschreiben, um den Lernvorgang sichtbar und nachvollziehbar zu machen. Ich möchte teilen, was ich in den letzten Jahren aktiv und passiv über Rassismuskritik, Kritisches Weißsein, Allyship und Süd-Nord-Beziehungen gelernt habe und zum gemeinsamen Lernen ermutigen. Ich möchte Selbstkritik üben und offen sein, neue Perspektiven einzunehmen und Fehler einzugestehen. Dabei sehe ich mich keineswegs als Expertin und bin mir bewusst, dass es sich um lebenslanges Lernen handelt und eine bewusste und kontinuierliche Auseinandersetzung benötigt.

Daher werde ich vorherige Einträge auch nicht löschen, sondern nach und nach kommentieren, welche Aussagen problematisch sind und warum. Diesem Prozess möchte ich mich in den folgenden Monaten widmen.

Ist das nicht viel Arbeit umsonst? Nein. Sprache ist unglaublich machtvoll und um bestimmten Positionen oder Ansichten entgegenzuwirken, ist der erste Schritt, seine eigenen Aussagen zu untersuchen. Impliziten Reproduktionen von Rassismus (weil ich das explizit natürlich verwerflich finde und niemals äußern würde) und von Machtstrukturen, die (teilweise unbewusst) auf dem Kolonialismus oder Neokolonialismus beruhen, möchte ich hier keine Plattform geben und außerdem noch den Schritt weiter gehen, aufzuklären, warum bestimmte Aussagen in diesem Sinne reproduzierend sind.

Disclaimer:

Diese kritische Auseinandersetzung betrifft meine Berichterstattung. Es geht weder um den Freiwilligendienst per se, noch das Einsatzland oder die Einsatzstelle. Es geht darum, zu hinterfragen, mit welcher Brille und welchen Vorannahmen ich selbst geschrieben habe und ob und in welcher Weise diese problematisch waren.