Ich bin 4090 Meter über mich hinausgewachsen - hoher Besuch

03März2018

Mehr oder weniger schnell stand dann das Wochenende vor der Tür, nach dem mein Papa kommen sollte. Da wie immer überall alles Mögliche los war, kam das für mich unerwartet schnell und ich fühlte mich, als würde ich alles halbfertig stehen und liegen lassen und mich auf nach Douala zu machen.
Der vermutlich einzige Gast aus Deutschland für mich war für meine Kinder schon lange Thema, wir zählten sogar gemeinsam die Tage, bis er kam, denn Eltern sind hier die Respektpersonen schlechthin. Deshalb nannten ihn auch alle Papa, egal ob Kind im Alter von 7 Jahren oder auch schon erwachsen. Im Centre wurden wir natürlich wie immer mit Freudenschreien begrüßt und ich führte ihn ein paar Tage lang durch meinen Alltag und an die wichtigsten Orte in der Umgebung. Fovu, Bafoussam, eine Chefferie etc., bevor dann der wirkliche “Urlaub“ begann.

Unser großes gemeinsames Projekt: den Mount Cameroon besteigen. Also wieder zurück über Douala und dann nach Buea, um am nächsten Tag frühmorgens (letztendlich dann eher gegen 9Uhr) die Wanderung zu starten. Vorgesehen waren jeweils eineinhalb Tage Auf- und dann auch wieder Abstieg. Anfangs waren wir auch recht flott unterwegs, es ging erst über Felder und hohe Wiesen und dann in einen immer dichter werdenden Wald hinein. So verbrachten wir die ersten Stunden bis Mittag und machten auf 1850 Metern dann die erste wirkliche Pause, aßen unser Baguette mit Sardinen und Avocado (ja, man passt sich ernährungstechnisch an). Weiter ging es dann deutlich steiler, nach einer weiteren Stunde kamen wir auch aus dem Wald heraus in Geröll und steile Hänge mit Gräsern. Mit einem Blick nach oben sagte ich noch leichtfertig, so hoch sei das gar nicht. Ich hatte dabei nur leider nicht bedacht, dass sich hinter dem ersten Hügel der nächste und nächste und nächste aufbaut und man noch sehr lange nicht oben war.
Verglichen mit dem zweiten Tag waren wir aber gut in Form und kamen schon gegen halb vier auf der zweiten Hütte auf 2850m an. Den ersten Tag geschafft. Gegen Abend hin wurde es dann ziemlich schnell ziemlich frisch und die Wolken bildeten eine graue Front, die uns den Blick auf Buea und die Küste sowie Limbé verwehrte. In allen Jacken und Pullis, die ich mithatte, aßen wir dann Abend und schliefen früh. Fünf Stunden bergauf wandern und klettern war dann doch anstrengend. Nur das mit dem Schlafen war so ein Ding. Der Wind heulte draußen, es fing an zu regnen und zu stürmen. Donner ertönte und es blitzte in unregelmäßigen Abständen. Mehr oder weniger ausgeschlafen krochen wir also am nächsten Morgen gegen sechs Uhr also aus der Hütte und wärmten uns mit Tee am Feuer. Aufgrund des Wetters warteten wir etwas ab, bevor dann endgütlig entschlossen wurde, dass es zum Glück doch weiter gehen kann.

Acht Uhr, jeder wieder seinen Rucksack auf dem Rücken und voraussichtlich 10 Stunden Wanderung vor uns. Genauso steil wie es gestern aufgehört hatte, ging es dann weiter bergauf. Der Wind blies einen ungemütlich von der Seite an und ich hatte immernoch zwei Pullis, Strick- und Regenjacke an. Es war vermutlich auch mehr Wille als Kraft, der mich die letze Stunde, die letzten paar Höhenmeter nach oben schleppte. Der Wind drückte mich nach links und ich versuchte, seitlich hochzustapfen, um irgendwie auch noch an Luft zu kommen. Mittags dann 4090 Meter. Wir habens geschafft. Mit angefrorenen Fingern und mit Kapuze im Gesicht machten wir nur schnell einige Fotos, um dann wieder nach unten zu gehen. (Das Wetter war unserem Guide immer noch nicht allzu vertrauenswürdig). Auf der anderen Seite des Berges, wo die Wolken immer noch in schnellem Tempo zwischen uns hindurchzogen.

Als wir uns mit dem rutschigen Lava-Sand-Boden vertraut gemacht haben, wurde es aber ganz lustig. Zu dritt (mit unserem Guide) rutschten wir ziemlich schnell die ganzen Höhenmeter, die wir davor mühevoll hochgeklettert sind, wieder runter. Etwas windgeschützt machten wir dann auch Pause, die Sonne scheinte sogar zwischendurch und nur, weil sich Regenwolken näherten, machten wir uns auf und gingen weiter. Vor uns lag eine Ebene mit Geröll und Sand, die wir durchqueren sollten. Sehr lange wanderten wir durch diese unglaublich ruhige Steppe oder vielleicht eher Savanne, um die nächste Pause im Schatten von einigen Bäumen zu machen. Es ging weiter, inzwischen auch wieder richtig bergab über grüne und gelbe Wiesen und Felder, die kaum ein Ende nehmen wollten. Erst gegen Nachmittag, vielleicht so 15 Uhr, änderte sich das Terrain wieder.
Vor uns lagen zwei riesige Krater vom Ausbruch 1999 und unter uns knirschte der Sand von endlos langen Lavafeldern. Aus dem Boden wuchsen hier und da mal strohähnliche Grasbüschel und dann wieder etwas Moos und außer einigen Vögeln war es immer noch sehr leise. Wir konnten am Horizont ein bisschen Meer sehen und der Weg schien kein Ende zu nehmen. Bis wir plötzlich an einen kleinen frischen grünen Wald kamen, zu dessen Rande auch unsere Hütte stand. Um 17 Uhr kamen wir ziemlich müde mit aufgeweichten Füßen an. Willkommen in Mannspring auf 2440 Höhenmeter. Ich hatte zum Glück auch keine Atemprobleme mehr und profitierte sehr vom landschaftlichen Naturbild um uns herum. Ich frage mich auch jetzt noch, wie ich dazu fähig war, an einem Tag um die 3000 Höhenmeter zu machen. Die Nacht war zum Glück ruhig und wir hatten gute zehn Stunden Schlaf.

Es hieß, um halb sechs Frühstück, um sechs weitergehen. Dank deutschem Besuch aka Papa hielten wir uns natürlich pünktlichst daran und waren die Ersten, die wach sind. Also: warten. So gegen sieben sind wir dann letztendlich los, durch den kleinen Regenwald und dann nochmals über weite verbrannte Felder mit vereinzelten grünen Grasbüscheln, an denen der Morgentau hing. Und dann in den richtigen Regenwald. Bis zum Ende. Bis Mittags lief ich vorneweg durch gefühlt Tausende von Spinnennetzen und kämpfte mich durch das feuchte Dickicht. Erst auf den letzten paar Metern auf der Geraden fing es an zu tröpfeln, aber wir schafften es ins Büro unseres Organisators, ohne wirklich nass zu werden. Und wir habens wirklich geschafft. Wir haben den Mount Cameroon bestiegen. Erschöpft, aber glücklich haben wir uns dann auf den Weg nach Limbé gemacht. Wir brauchten dringend ein paar Tage Entspannung.