“Frauen in die Küche“

10Sept2017

Um das zu erklären, muss ich erstmal ausholen und von vorne anfangen: Am Donnerstag, 31. August 2017, ging meine große Reise los. Als ich mich von Freunden am Tag vorher oder von meiner Familie am Flughafen selbst verabschiede, fällt es mir schwer, zu begreifen, dass ich ein Jahr lang auf einem anderen Kontinent lebe; dass ich nicht für ein, zwei Wochen in den Urlaub fliege, sondern 365 Tage weg sein werde. Und ich verstehe das wahrscheinlich immer noch nicht so ganz.

Schon im Flugzeug nach Douala, der größten Stadt und dem Wirtschaftszentrum von Kamerun, waren wir, meine Mitfreiwillige Lea und ich, plötzlich in Hautfarbe und Sprache unterlegen. Und auch der in Deutschland populäre Vegetarismus war auf dem Flug nicht mehr Thema. Man entschied zwischen Huhn und Fisch. Also aß ich zum ersten Mal seit sieben Jahren Vegetarierdasein wieder Fisch, mit einer zimtig-scharfen Tomatensoße und Reis. Und das war auch nicht das letzte Mal, das kann ich schon einmal vorhersagen.


Douala

Sechs Stunden später landeten wir in einer anderen Welt! Die Fahrt vom Flughafen zum Haus der Pokams (so hieß mein Chef) lies mich staunen. Um mich herum tausende Motos mit drei Sitzen und etwas ältere Taxis, die teilweise zu dritt nebeneinander auf der Straße fuhren. Auf den Motos sitzen bis zu vier Leute, manchmal mit lebendigen Ziegen und riesigem Gepäck und die fahren dann hupend zwischen Obstständen und Menschenmassen, die sich Taschen oder Matratzen, Bananen und andere Früchte ansehen. Die Läden sind größtenteils auf die Straße verlegt, in den halbfertigen Häusern dahinter eher Lagerräume oder Wohnungen der Verkäufer. Mir ist viel zu heiß. Bei 35 Grad und offenen Fenstern fahren wir mit 60km/h auf der Autobahn (mit Zebrastreifen und Leuten, die überall den Weg kreuzen) Richtung Wohnsiedlung. Hier endet die geteerte Straße, stattdessen beginnt eine Piste auf sandiger hellbrauner Erde mit Furchen und Löchern, die aufgrund der Regenzeit mit gelbbraunem Wasser gefüllt waren, sodass man auf keinen Fall mehr als 20km/h fahren kann.
Zuhause beim DG (directeur général, so wird der Leiter Zacharie Pokam der Einrichtung von allen genannt) angekommen hieß es: „Fühlt euch wie daheim!“. Lea und ich teilten uns die nächsten zwei Nächte ein Bett und den Hof noch mit einigen anderen Familien. Die Nähe unterstreicht die solidarische und warme Art des Umgangs sehr gut. Dauernd passiert etwas, die Nachbarskinder schauen kurz in die Küche oder spielen mit uns, Hühner picken und die Hähne krähen ab fünf Uhr morgens. Nach einer kurzen schwülwarmen Nacht mit Stromausfall (wovon leider auch der Ventilator über dem Bett betroffen war) sind wir mit dem Auto durch die Stadt gefahren, haben DG bei seinen Erledigungen begleitet und sind dabei gleichzeitig in die unheimliche Dynamik und das bunte Treiben von Douala eingetaucht.

   

Am nächsten Tag ging vormittags die große Reise weiter, fünf Stunden Autofahrt in eine andere Region liegen vor uns. In Baham, 1600m Höhenlage und angenehme 15-20°C mit wechselnd Regen und Sonnenschein kommen wir letztendlich gut sechs bis sieben Stunden nach Aufbruch an. Auf dem Weg musste unser Auto mit dem schweren Gepäck im Kofferraum und auf dem Dach schon ziemlich leiden, trotzdem wurde unterwegs bei Straßenständen noch fleißig Obst eingekauft. Papaya, Bananen, Orangen, von denen wir im Auto dann schon kosten durften. Im Gegensatz zu manchen tropischen Früchten in Deutschland eine Geschmacksexplosion voller Süße und Reife.
Die Dörfer, die wir durchfahren, werden immer seltener, die Häuser immer weniger und die Landschaft immer bergiger. Schließlich erreichen wir das Haus des DG, das – wie sich im Nachhinein herausstellt – noch für die nächsten drei Wochen unser Zuhause sein soll. Das liegt daran, dass die Freiwillige des letzten Jahrgangs erst im September anfing und deshalb auch erst gegen Ende September diesen Jahres abreisen wird. Dann ziehen wir in die Einrichtung.

Baham ist ruhig, das Haus sehr idyllisch umgeben von einem Garten mit Avocado- und Bananenbäumen, Salat und Karotten. Hier ist auch sehr viel mehr Raum, die Küchen groß – ja, es gibt zwei: die cuisine moderne (mit Gasherd und sogar Backofen) und die cuisine traditionnelle (eine Feuerstelle). Hier nun auch die Anekdote zur Überschrift: Im abendlichen Gespräch mit meinem zukünftigen Chef hat er mir Unterschiede zwischen Deutschland und Kamerun aufgezeigen wollen. Da gehört für ihn auf jeden Fall dazu, dass in Deutschland so viele Männer kochen und das aber in Kamerun sehr selten ist und traditionell die Frau kocht und der Mann höchstens beim Vorbereiten oder Spülen hilft. Seine Meinung.

 

Meine Arbeit

Das Schuljahr beginnt hier am vierten September und auch die Sommerferien in der Einrichtung sind vorbei. Association Humanitaire pour la Promotion des Personnes Vulnérables, kurz auch AHP²V oder Centre genannt, weil das am unkompliziertesten ist. Seit einigen Jahren trägt sie diesen Namen, denn davor waren nur Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit körperlichen oder geistigen Behinderungen aufgenommen worden. Seit der Erweiterung können alle sozial Benachteiligten um Aufnahme bitten und auch Waisen oder Personen mit Bildungsbedürfnis sind willkommen. Hier leben alle friedlich zusammen und schätzen einander, ohne sich überlegen zu fühlen.
Jedoch ist die ersten Tage nicht viel mit Arbeiten, denn die Kinder trudeln hier seit Montag langsam nacheinander ein. Am vierten Tag haben wir 15 gezählt, es sollen noch 25 werden. Die, die schon angekommen sind, beginnen ihren Alltag wieder. Dazu gehört für die meisten, morgens in die öffentliche Schule zu gehen. Wenige andere wiederum, die körperlich oder geisitg zu sehr eingeschränkt für den Weg oder den Unterricht sind, bleiben in der Einrichtung und werden von uns Freiwilligen individuell im Lesen, Schreiben oder Rechnen gelehrt.
Inzwischen ist die erste Schulwoche um und alles spielt sich langsam ein. Die Kinder kommen schnell auf uns zu und akzeptieren so gut wie jeden. Gemeinsam werden Mandalas gemalt, Buchstaben geübt oder Rechenaufgaben gemeistert. In den nächsten Wochen erarbeiten wir  mit DG ein Programm und der „Unterricht“ nimmt dann hoffentlich Form an.

 

Das Wochenende

„Vous êtes libre!“ (Ihr seid frei.). Wir können und sollen also wirklich machen, was wir wollen. Da wir derzeit noch beim DG wohnen, haben wir den Luxus, dass seine Frau MaDé für uns mitkocht und wir uns darum nicht selbst kümmern müssen. Samstag hat mir viel Abwechslung gebracht. Da der Hahn hier lauter kräht als alles andere, bin ich dementsprechend früh aufgewacht und auch aufgestanden, da an Einschlafen nicht mehr zu denken war. Schnell ist klar geworden, dass Lea und ich bei der Erdnussernte helfen. Vormittags gingen wir zu fünft aufs Feld, die Jungs schlugen die Wurzeln aus dem Boden und wir zwei Mädels pflücken davon die Erdnüsse ab. Die Zeit verging wie im Flug, als wir gute fünf Stunden später zwei Felder und noch einen Rest von den letzten Tagen bearbeitet hatten. Währenddessen hörte man immer wieder Gesang und Musik, sowie Schüsse, da um uns herum mehrere Beerdigungen stattfanden (Samstag ist hier der übliche Tag dafür). Vielleicht berichte ich schon bald darüber, wenn ich Ende des Monats selbst mit dabei sein werde.