Berichte von 10/2017

Kamerunische Hochzeiten

22Okt2017

Ganz spontan und kurzfristig, wie das hier eben so ist, lud uns MaDe am Donnerstag auf die Hochzeit ihres Neffen ein. Und wer sagt da schon Nein.

“Schnell, wir essen nur Salat und wieder richtig, wenn wir heimkommen. Das wird nicht so lang dauern.“ Letztendlich lief es dann so ab, dass wir bis zum Beginn der Veranstaltung am Freitagabend noch ewig warten mussten und uns umsonst so gehetzt hatten und dass nachts um drei Uhr das Bedürfnis nach Schlaf größer ist, als das nach Essen.

Aber, wenn man schon einmal vor Ort ist, bleibt einem nichts anderes mehr übrig, als zu warten. Immerhin sind wir des Nachtens im Dunkeln umhergeirrt, bis wir die richtige Abzweigung gefunden hatten. Angekommen, so gegen 19Uhr, wurden uns Sitzplätze zugewiesen und wir warteten auf den Plastikstühlen, bis es hieß, wir müssen noch ein Haus weiter. Dort warteten wir wieder, bis alle Stühle aufs Neue aufgestellt und besetzt wurden und dann ging es endlich los.

 

Der Vorabend

Dieser Abend gehört zur kamerunischen Tradition, die beiden Familien der Ehepartner geben ihr Einverständnis und gemeinsam wird darauf mit “vin blanc“ (leicht gegärte Milch aus Bambusstämmen) und Kolanüssen (die sind extrem bitter) angestoßen. Bis es dazu kam, ist allerdings noch ein weiter Weg.

Vorerst wurden dem zukünftigen Mann und seiner Familie verschiedene Frauen nacheinander verschleiert vorgeführt, aus denen die Richtige ausgewählt werden soll, um zu beweisen, dass man sich sehr gut kennt. Dabei wird auch immer Geld für jede “Falsche“ gegeben, denn erst wenn die Mitgift passt, kommt die richtige Frau an die Reihe. Das hat natürlich eher einen symbolischen Wert, aber dass Habgut und Geld nicht zu vergessen sind, haben wir später deutlich zu spüren bekommen.
Das Schauspiel war lustig anzusehen, die Ideen, warum man noch eine kleine finanzielle Unterstützung braucht, gingen nicht aus. Schade nur, dass alles in der Ortssprache Baham gehalten wurde, von der ich leider nur drei Wörter verstehe. Trotzdem war offensichtlich, dass die letzte Frau (also auch die zukünftige Ehepartnerin) in einem “Auto“ (den Geräuschen nach zu urteilen) kommen sollte, das allerdings sehr viele Probleme hatte. Mal wurde es von der Polizei aufgehalten und man musste bezahlen, dann war ein Rad kaputt und erst nach vielen Anläufen wurde es dann wirklich bis in den Ruam geschafft und die Frau für die Richtige erklärt. Begleitet wurde das alles von Gesang und Klatschen, Jubeln und Kreischen.

Nun war es an der Familie des Mannes, verschiedene Männer vorzuführen, diesmal aber nicht verschleiert und wesentlich weniger aufwändig, es wurde auch kein Geld getauscht. Als sich die zwei endlich gefunden hatten, wurde gejubelt, getanzt und gesungen.

Anschließend hieß es dann aber wieder warten! Es gab wohl einige Unstimmigkeiten zwischen den beiden Familien (Familie heißt übrigens, Mama, Papa, Oma, Opa, Onkel, Tanten usw.) und es dauerte eine ganze Weile, bis sich diese einigen konnten. Anscheinend hatte der Vater der Braut mehr eingefordert, als die Familie des Mannes geben konnte und nicht locker gelassen, bis seine Frau ihn zurechtwies und die Hochzeit also doch stattfinden konnte. Das war unglaublicher Stress für den Bräutigam und seine Zukünftige und der war ihnen auch deutlich anzusehen. Schade, dass durch die Habgier und Sturheit eines Einzigen alles hätte platzen können und die Stimmung so gedrückt wurde. Während dieser Zeit saßen wir wartend und hungrig im Raum, immerhin war es schon 23Uhr.

Letztendlich fand alles ein gutes Ende und gemeinsam wurde nun angestoßen. Dabei schreibt es die Tradition vor, dass die Frau die Kolanüsse aufbricht und ihrem Mann gibt und sie sich gegenseitig vin blanc zu trinken geben. Anschließend wurde noch gemeinsam Tarot gegessen (eine Art Teig mit der Konsistenz von Kartoffelbrei mit gelber Soße) und das Publikum besang die Beiden. Dann lud die Familie der Frau zum großen Essen ein, dass es endlich um halb zwei nachts gab. Es gab so gut wie alles und wir probierten alles mögliche, auch wenn sehr gut gewürzt scharf war. Neben Reis mit Erdnusssoße gab es auch Ngdolé, Légumes, tausende Kartoffelsorten, Plantains, Batons de Maniok, Huhn, Fisch, Sojaspieße und Tarot.

Als wir dann um drei Uhr morgens zuhause ankamen, durften wir mit Freude feststellen, dass das Programm erst Mittags weitergehen würde. Deshalb schliefen wir einigermaßen aus und hätten uns wirklich keine Gedanken machen müssen, da wir dann eh nicht zur Mairie mitgekommen sind, sondern die Anderen erst vor der Kirche in Bafoussam wieder aufsuchten. Und erneut hieß es warten. Warten, bis das Hochzeitspaar kommt, bis es wieder fährt und sich umgezogen hat, um wiederzukommen. Warten, bis uns jemand überhaupt sagen kann, warum wir warten. (Ja, ich habe mich sehr in Geduld geübt.) Und schließlich begann der Gottesdienst zu dem Zeitpunkt, an dem es eigentlich mit dem nächsten Programmpunkt weitergehen hätte sollen.


Gottesdienst und letzte Festlichkeiten

Feierlich trat die Familie der Frau - alle trugen als Erkennungszeichen denselben Stoff - singend und mit Rasseln, Trommeln und anderen Instrumenten in die Kirche ein. Wieder ein großer Raum mit hohem Dachgebälk, einem Holzkreuz, dass an der Wand hing und Tafeln, die Psalme und sonstige Bibelstellen zitierten. Dann wurden nacheinander der Bräutigam und die Braut hereingerufen, begleitet von einem kleinen Chor und demselben blechernen Mikrofonton. Es wurde viel gepredigt und gesungen. Leider verstand ich nicht wirklich viel, und wie mir der Franzose (Florian;)) im Nachhinein erklärte, war das ziemlich unmöglich gewesen, weil alles in Metaphern und Sprichwörtern stand. Jedenfalls redete man über Monogamie und Polygamie, über warme Betten und das Alleinsein und die Stimmung war ausgelassen. Begleitet von Trillerpfeife, Schlagzeug, Jodeln und Rufen wurde schließlich die Braut geküsst.

Danach gab es eine Tradition, bei der alle zur Musik tanzend vorne am Brautpaar vorbeilaufen und ein bisschen Geld geben. Während wir uns bei der ersten Runde noch zurückziehen konnten, blieb uns bei der zweiten Runde nichts anderes mehr übrig, als mit im Entenmarsch nach vorne zu tanzen (die Bewegungen sind ungefähr so: man bückt sich leicht nach vorne, geht ein bisschen in die Knie und läuft im Takt, während man die Arme angewinkelt, ebenfalls im Takt, nach hinten schiebt und wieder vor den Körper bringt). Der Fotograf war außer sich vor Freude, uns so ablichten zu können und letztendlich hatten wir auch unseren Spaß. So gingen zwei Stunden mehr oder weniger schnell herum und zum Fototermin wurde einfach ein geeigneter Platz vor der Kirche gesucht.

Dann würden alle heimgehen und in ihre Abendkleider wechseln. Das blieb mir aus zweierlei Gründen verschlossen: Der Weg von Baham nach Bafoussam ist zu weit, um ihn für so eine kurze Zeit zurückzulegen und außerdem hatte ich beim Koffer packen nicht daran gedacht, etwas Festliches mitzunehmen. Was aber nicht schlimm war, selbst in Hose und Bluse wurden wir hereingelassen. Vor dem riesigen Festessen voller Köstlichkeiten, von denen ich leider viel zu wenig probiert hatte, wurde ein Einzug mit den Brautjungfern gefeiert, die frisch Verheirateten baten um ihren Tanz und allerlei Danksagungen fanden statt. Jedoch war das Programm sehr kurzweilig und nach dem Essen wurden nur noch die Geschenke tanzend an das Brautpaar weitergegeben.

Letztendlich fand sogar ich mich tanzend auf der Fläche in der Mitte und wir hatten eine Menge Spaß, auch wenn die eintönige Musik einem manchmal etwas auf die Nerven gehen kann. Und so war ich schon fast froh, als um 23 Uhr der DJ die Musik abstellte, das Fest vorüber war und wir heimfuhren. Ich habe zwar wirklich zwei schöne Tage auf der Hochzeit verbracht und bin dankbar für die Erfahrung, doch das ständige Warten lässt einen sehr schnell müde werden und selbst die Kameruner haben sich darüber beschwert.

 

Mit Verstärkung ab aufs Feld

19Okt2017

Verstärkung

Unser Trio ist nun endlich komplett. Lea, Florian und ich werden für die nächsten Monate zusammenarbeiten. Der Franzose macht allerdings nur neun Monate und kam deshalb etwas später und fährt auch wieder früher. Die erste Woche hat er noch bei DG gewohnt, jetzt wird er am Wochenende mit ins Centre ziehen und dann fängt vermutlich der wirkliche Alltag an. Man versteht sich bis auf das Französisch ziemlich gut und vor allem vormittags kehrt jetzt endlich Ruhe ein, weil seine zwei Schüler fest betreut werden und nicht mehr mal hier, mal dort reinschauen.


Projet Agricole: das Landwirtschaftsprojekt

Bisher hatten wir noch keine Gelegenheit gehabt, uns das mal genauer anzusehen, aber jetzt, da auch der letzte Freiwillige eingetroffen ist, werden alle Rundtouren erledigt. Und so wurden wir am Donnerstag um sechs Uhr morgens (zumindest war das so geplant, nach kamerunischen Verhältnissen wurde es dann halb sieben) abgeholt, um nach Foumbot zu fahren. Zu fünft saßen wir im 30 Jahre alten Jeep und versuchten, die vor uns liegende “einstündige“ Fahrt mit Federn im Rücken möglichst angenehm zu machen. Was aufgrund der furchtbaren Straßenverhätlnisse aber sowieso nicht möglich war. Wir ruckelten über Schlaglöcher und vom Regen ausgespülte Gräben und schindeten das Auto so einige Höhenmeter hinauf und auch wieder runter. Irgendwann fing es auch noch an zu regnen und da die Scheiben bei jeder Bodenwelle wieder ein Stück herunterrutschten, konnte man gar nicht wirklich trocken bleiben. Letztendlich schwammen wir dann durch knietiefe Pfützen und ich war wirklich erstaunt, dass der alte Jeep das mitgemacht hat. Und ich war froh über unseren Fahrer PaTiCru, ohne den wir sicherlich den Hang runtergeschlittert wären.

Nach dieser fast zweistündigen Abenteuerfahrt mit so einigen Achterbahneffekten kamen wir schließlich an, leider immer noch im Regen. Als dieser dann vorbei war, machten wir einen Rundgang über das fünf Hektar große Feld, das von zwei Leuten bewirtschaftet wird. Bohnen, Ananas, Bananen und Plantains, Tomaten, Piment, Papaya und vieles mehr wird hier zum Teil für den Eigenbedarf, zum Teil für den Verkauf angebaut. Wir Freiwilligen durften dann schließlich Tomaten pflücken und anschließend Brennholz tragen. Die Angestellten im Projekt schlugen das Holz aus dem Gebüsch und wir machten den Weg von 700m zum Auto mit jeweils so viel, wie jeder tragen konnte. Beschäftigung für gute drei Stunden und weil die Sonne herausgekommen war, auch noch richtig warm. Ziemlich fertig und schwarz an Armen und Tshirt (die Äste und Stämme waren weder trocken noch sauber) brachten wir wieder unsere wirkliche Hautfarbe zum Vorschein, aßen noch eine selbst geerntete Papaya und fuhren wieder heim. Die Sonne schien ziemlich stark und der vollgeladene Jeep brauchte öfter mal eine Pause, um seinen Motor abzukühlen. Wir genossen derweil die Aussicht, die uns morgens durch Wolken und Regen verbaut worden war.

Anfangs war geplant, dass wir Freiwilligen zwei Mal in der Woche mit anderen aus dem Centre zum Arbeiten auf das Feld fahren, jedoch kostet das Benzin für Hin- und Rückfahrt so viel, dass das nicht mehr rentabel ist und nun sollen wir gar nicht mehr dort arbeiten. Wer mich kennt, macht sich vielleicht gerade darüber lustig, wie denn ich auf dem Feld eine Hilfe sein könnte, aber die starke körperliche Anstrengung wäre mir wirklich eine willkommene Abwechslung gewesen und vielleicht kann ich das ja doch noch managen, einmal alle zwei Wochen oder so mithinzufahren.

Wie sieht das Centre eigentlich aus?

15Okt2017

Da ich in den letzten Einträgen sehr wenig über meine Einsatzstelle berichtet habe, sondern eher über Tagesausflüge und das allgemeine Leben, möchte ich das hiermit nachholen und stelle euch die AHP2V (Association Humanitaire pour la Promotion de Personnes Vulnérables) vor - das Centre.

Von der Straße biegt man gegenüber von einer Schule in einen riesigen Vorhof ab. Dort spielen die Kinder im “stade“ (eigentlich nur die einzig halbwegs ebene Fläche) Fußball. Und ja, auch die im Rollstuhl und auf Krücken laufen mit und werden nicht vergessen. Das ist ein schönes Schauspiel und zeigt auch, dass hier alle aufeinander Rücksicht nehmen und eine große Familie sind. Zurück zum Hof: Durch ein weiß gestrichenes Gatter kommt man dann schließlich in die Einrichtung. Bleibt man direkt am Eingang stehen, fällt der Blick erst einmal auf das Haus vor einem. Mit großen grünen Buchstaben steht auf einem Schild unter dem Dach der Name und auf mehreren Tafeln wird erklärt, welche Personen aufgenommen werden und welche sonstigen Leistungen angeboten werden. Durch die Tür kommt man in den aufgeteilten “salon“, der vordere Teil wird für die Herstellung von Schmuck benutzt und daneben liegt das Schneideratelier. In diesem beiden Bereichen arbeiten vier Pensionäre und drei auswärtige Mitarbeiter, die nur drei Mal in der Woche da sind. 

Auf der anderen Seite liegen die Zimmer von Lea und mir, ein Bad und die zweite Hälfte des salons, die mehr oder weniger unser Wohnzimmer darstellen soll. Außerdem noch die Küche und ein weiteres Zimmer, in das bald unser dritter Mitfreiwilliger Florian aus Frankreich einziehen wird. Dies ist das Haupthaus und nachmittags sitzen wir meistens auf der Veranda davor und genießen ein bisschen die Sonne, solange sie scheint, oder den Regen, weil das für uns Wasser bedeutet, das in den letzten Wochen recht knapp war und die Leitung nicht funktionierte.

Wir stehen immer noch am Eingang und blicken jetzt nach links, dort ist das Haus für die Bewohner. Es gibt fünf Schlafzimmer, in denen jeweils bis zu fünf Betten auf ziemlich engen Raum stehen. Deshalb halten sich auch die meisten tagsüber nicht darin auf, sondern toben draußen herum. Insgesamt wohnen hier 24 Kinder und Pensionäre, die sowohl unter der Woche als auch am Wochenende in der Einrichtung bleiben. Zudem gibt es noch einen kleinen Jungen, der täglich ins Centre kommt, weil die Kapazität der Schlafzimmer schon vollständig ausgereizt ist. Dahinter liegen dann noch die Büros von DG und seinem Stellvertreter. Der Salon von diesem Haus ist übrigens mein Klassensaal, dort arbeite ich unter der Woche vormittags mit meinen drei Kleinen. Zurück zum Ausgangspunkt liegt in entgegengesetzter Richtung, also rechts, weit hinten im Garten ein Pavillon, der ebenfalls zum Unterrichten gedacht ist. Dort arbeitet Père George (DGs Stellvertreter und Hauspapa) mit zwei Kindern, die dann der Franzose übernehmen soll.

Jetzt gehts weiter hinter das Haupthaus. Da die Landschaft hier allgemein ziemlich hügelig ist -ich erinnere nochmal kurz an die Höhenlage von 1600 Metern - liegt alleine zwischen dem Bewohnerhaus und Haupthaus eine kleine Steigung, um aber in den großen Saal dahinter zu kommen, geht es noch einmal steiler hinunter. (Das Hochkommen ist schlimmer, vor allem die Rollstuhlfahrer sind hier im Nachteil.) Man kommt vorbei an der traditionellen Küche, einem kleinen Backsteinhäuschen mit zwei Feuerstellen und zwei wunderbaren Köchinnen. Abends wird die Küche umfunktioniert und man setzt sich zusammen und redet über alles, was einen so beschäftigen könnte.

Wir machen eine scharfe Rechtskurve und stehen neben den vier Speichercontainern mit einem Volumen von jeweils 1000 Litern. (Was an sich nach viel klingt, aber echt schnell wenig wird, wenn das Regenwasser aus eineinhalb Containern fürs Kochen, Putzen, Wäsche und Kinder waschen und Trinken benutzt wird von über 30 Personen.) Dann kommen wir in den großen Saal: An einer Seite stehen vier Tische aneinandergereiht, die dem gemeinsamen Essen dienen und sonst ist der Saal ziemlich leer, bis auf eine Ecke, in der die Werke aus dem Bambus-Atelier stehen und eine Schräge, die eigentlich ins Haupthaus führen sollte, aber eher zum Abstellen einer nicht mehr funktionstüchtigen Vespa und anderen Gegenständen benutzt wird. Montags und freitags werden die Bänke von den Esstischen für Versammlungen in einen Kreis zusammengestellt. Dort wird aus der Bibel gelesen, gesungen und gegen Ende der Woche findet die Evaluation (eine Art Versammlung zur Reflektion der Woche) statt.


Dahinter liegt ein kleines Feld mit allem Möglichen. Um die Häuser herum sind einige Wiesen und Guavenbäume, an denen sich die Kinder immer fleißig bedienen.

Fovou und Bafoussam

08Okt2017

Fovu (es gibt keine offizielle Schreibweise, bzw konnte mir niemand etwas Eindeutiges sagen)

„Der einzig schöne Ort in Baham“ – so beschrieb uns Jordan, der Sohn des Chefs, diese Steinlandschaft. Er hat uns am Donnerstag dorthin begleitet und das war auch gut so, sonst hätten sich Lea und ich uns zu ziemlich 100 Prozent zwischen den riesigen Felsen, Palmen und Büschen verloren und verlaufen. Nach der Arbeit ging es auf einen mehr oder weniger engen, wie immer rutschigen roten Pfad und plötzlich kamen wir auf einem der Felsen hinaus und konnten einen Überblick gewinnen. Vor uns lagen weit verteilt viele Riesen; Steine, die gefühlt aus dem nirgendwo her kommen, entfernt konnte man dahinter die kultivierten Felder und einige Häuser auf und an den nächsten Hügeln sehen.
Ich genoss es, zwischen den Felsen herum zu klettern und hätte Stunden dort verbringen können, wäre es nicht schon kurz vor Dämmerung gewesen. Letztendlich saßen wir eine Weile mit unserer treuen Weggefährtin, der Hündin des Centre, auf einem der Steine und sahen uns die Landschaft an, genossen die Ruhe. Alles war naturbelassen. Ich ärgerte mich für einen kurzen Moment mit Jordan, dass man nicht mehr höher nach oben klettern konnte, allerdings fiel mir im Nachhinein auf, dass es vermutlich so schöner ist. Keine Brücken, Treppen oder Geländer.

Bafoussam – die Zweite

Wir richten uns nun endlich häuslich ein. Dazu gehört vor allem, die Küche ein bisschen auf Vordermann zu bringen und mit allerlei guten Dingen auszustatten. Dazu wollten wir auf den Markt in Bafoussam, weil wir uns davon mehr Auswahl erhofften (die wir auch bekamen) und auch die anderen Freiwilligen wieder besuchten, gemeinsam kochten.

Wir stürzten uns also wieder in den Trubel, die laute Hauptstraße voller Hupen, tausend Motos und Autos, der Abgasgestank und die vielen Leute – es war wie immer. Allerdings gewöhnt man sich vermutlich daran, so wie an alles. Wir rechneten damit, wieder auf die „Haupteinkaufsstraße“ zu gehen, die wir letztes Mal fälschlicherweise für den kompletten Marché A hielten und waren überrascht, als plötzlich die ganzen Straßengeräusche um uns herum verstummten und wir auf den Stoffmarkt traten. Ein kleines Geschäft reihte sich ans nächste, während der ein Meter breite Gang in der Mitte ewig weiter zu führen schien. Es war eine angenehme Stille, die plötzlich herrschte, eine freundliche Stimmung und eine Einladung aus jedem Geschäft, sich doch alles mal genauer anzusehen. Die Verkäufer luden aufmunternd ein und wir wurden weder festgehalten noch gezogen (wie das auf der „Haupteinkaufsstraße“ der Fall war).
Auch der Gemüse-, Fisch-, Fleisch-, und Obstmarkt waren ähnlich still und angenehm und ich konnte mich mit Bafoussam versöhnen, nachdem ich eine bisher versteckte Seite kennen gelernt hatte, die nicht aus Lärm und Abgasen bestand. Lea und ich kauften munter dies und das und auch die Vorwarnung, man zahle als Weiße immer den doppelten Preis, erwies sich als falsch. Ich wurde sogar herunterkorrigiert, als ich mich einmal verrechnet hatte (bitte keine Kommentare zu meinen Mathe-Kenntnissen). Mit umgerechnet neun Euro kauften wir nicht gerade wenig Reis, Spaghetti, Zwiebeln, Knoblauch, Piment, Tomaten, Kartoffeln, Bohnen, Karotten, Zucchini, Papaya, und eine Ananas.

Wir verbrachten den Rest des Tages mit den anderen beiden Freiwilligen, kochten zusammen Nudeln mit Tomatensoße (das ist hier durchaus was Besonderes und Reis bekommen wir hier jeden Abend) und aßen Karottensalat und gebratene „Batons de Maniok.“ Als die Dämmerung einbrach, fuhren wir dann mit vollen Rucksäcken wieder nach Hause. Alles wie immer, eins der furchtbar kaputten Autos ohne Anzeige mit gesplitterten Frontscheiben und Türen, die wortwörtlich aus der Angel hingen, brachte uns trotzdem sicher mit all unseren Schätzen nach Hause.

Gedanken zum ersten Monat – Rückblick

02Okt2017

Wer hätte gedacht, wie einfach sich manche Wünsche verwirklichen lassen. Noch vor einem Jahr saß ich aufgeregt mit lauter vorerst fremden Jugendlichen in meinem Alter zum Orientierungsseminar im Stuhlkreis in einer Waldorf-Grundschule. Vor gut eineinhalb Monaten dieselbe Situation zum Vorbereitungsseminar in einer Jugendherberge. Und wir hatten alle dasselbe Ziel: Raus in die Welt und einen Freiwilligendienst machen. Obwohl ich in der Vorbereitungsphase so manches Mal gejammert habe, es sei so anstrengend und so viel Papierkram, sitze ich jetzt hier in Kamerun mit meinen 18 Jahren und lerne jeden Tag so viel Neues durch den Kulturunterschied und den Unterricht mit den Kindern.

Wie kommt es, dass jemand wie ich, der gerade einmal das Abitur in der Tasche hat, plötzlich sieben körperlich und geistig eingeschränkte Kinder unterrichten soll. Meine berufliche Qualifikation, sowie meine emotionale Belastungsgrenze und Tragfähigkeit lägen wahrscheinlich weit im Negativen, würde ein Spezialist dies beurteilen. Ob nicht ein anderes Projekt besser, einfacher oder passender gewesen wäre? Vielleicht war es aber auch gerade der Reiz, etwas vollkommen Neues zu vollbringen, mit dem ich vorher kaum in Kontakt war. Und ich bemerke erst jetzt, wie leichtfertig ich mich für einen Freiwilligendienst und dieses Projekt entschieden habe. Welch ein Wunder, dass ich mich hier zurechtfinde und anpassen kann.

Als ich in Douala ankam und es hieß, fühl dich wie Zuhause, entgegnete ich schüchtern wie ich nun mal bin (aber immerhin ehrlich), dass ich mir erst einmal alles von außen ansehen muss, bevor ich interagiere und auch richtig handeln kann und dass ich meine Zeit brauche, um offen auf andere zuzugehen. Gute zwei Wochen später sagte mir Hermann (der Kameruner, der deutsch spricht und uns vom Flughafen ab anfangs immer und überall begleitet hatte), ich hätte ihn angelogen. Ich wäre nicht verschlossen, sondern gesellig und suche den Kontakt, um mich anzupassen und zu integrieren.
Und wenn ich jetzt darüber nachdenke, muss ich ihm Recht geben. Vermutlich bin ich zurückhaltend, verspüre aber dennoch den Drang, mich – so oft es geht – zu den Anderen hinzu zu setzen, mich mit ihnen zu unterhalten oder ihnen erst einmal zuzuhören. Auch wenn ich die Beobachterrolle innehabe oder innehatte, nehme ich automatisch immer mehr an Gesprächen, Gelächter und Diskussionen teil.

Vielleicht fällt mir das hier auch leichter, weil niemand mich so kennt, wie ich all die Jahre davor war und mich entwickelt habe. Vermutlich ist es leichter, aus alten Mustern und Verhaltensweisen auszubrechen, wenn man in einem komplett neuen Umfeld ist. Vielleicht schränkt es mich zuhause ein, dass andere ein gewisses Bild von mir und somit auch bestimmte Erwartungen an mich haben und ich so viel auf die Meinung anderer gebe.
Denn ja, es gibt einen Unterschied zwischen den Charakterzügen, die mich in Deutschland momentan ausmachen und den Eigenschaften, die ich gerne hätte. Ich bin hier in Kamerun kein komplett anderer Mensch, aber vielleicht doch irgendwie anders, als man mich aus Deutschland in Erinnerung hat, sei es auch nur in einigen Punkten. Und ich frage mich, ob sich diese Veränderung über den Verlauf des Jahres so festigt oder womöglich noch erweitert, dass ich in Deutschland nach dem Freiwilligendienst nicht mehr „die Alte“ bin. Und welche Konsequenzen das auf mein Umfeld: Familie, Freunde und Bekannte hat.

Veränderung an sich ist nicht schlecht, das will ich damit auch nicht aussagen, immerhin meinte ich ja eben noch, vielleicht erfülle ich hier mehr meine eigenen Erwartungen an mich, anstatt in der Rolle zu bleiben, die andere von mir kennen und erwarten. Allerdings spielt das Maß der Veränderung doch eine Rolle und wenn dieses zu groß ist, wird vermutlich auch die Rückkehr in mein vorheriges Umfeld umso schwerer. Ich war davor kein schlechter Mensch und bin auch nach dem Jahr hoffentlich keiner geworden (wovon ich jetzt ehrlich gesagt einfach mal so ausgehe;)). Trotzdem will ich mich weiterentwickeln und sehe auch gerade in diesem Jahr die Chance, über mich hinaus zu wachsen und mich in bestimmter Art und Weise selbst besser kennenzulernen.

Dies soll keine Vorwarnung sein oder ein Aufruf an was auch immer, ich möchte vielmehr klarstellen, dass neben den Aspekten, eine Fremdsprache zu lernen und in einem weniger entwickelten Land eine gemeinnützige Organisation zu unterstützen, noch viel mehr hinter meinem Freiwilligendienst steckt. Entgegen vieler Meinungen, man würde nicht wirklich gebraucht, ist mein Projekt der AHP2V durchaus auf meine Unterstützung angewiesen und Freiwillige sind dort aus dem Alltag gar nicht mehr wegzudenken. Ich bin also hier, um zu arbeiten – aber ich kann vermutlich noch viel mehr für mich selbst herausholen und profitiere mindestens ebenso viel von meiner Arbeit hier wie die AHP2V.